Die letzte Prophezeiung: Thriller (German Edition)
hierhergekommen.«
»Leider habt Ihr mich nicht eingeweiht«, bemerkte der Sekretär mit leicht spitzem Unterton.
»Ich bin ja gerade dabei, dich einzuweihen«, erwiderte der Prinz scharf, gereizt durch Hussayns Bemerkung. Er fuhr jedoch in beherrschtem Ton fort: »Kerr hat mich um einen Gefallen gebeten: Liam Brine zu finden.«
»Hätte er denn wissen können, dass wir ihn haben?«
»Ausgeschlossen. Es sei denn, er ist noch viel mächtiger, als er uns gegenüber hat durchblicken lassen.«
Sie gingen weiter.
»Und warum interessiert er sich für Liam Brine?«, fragte Hussayn.
»Das ist eine komplizierte Geschichte. Es scheint, als wäre er der Anführer einer christlichen Bruderschaft, die der Vollendung der Operation ›Leeres Viertel‹ im Wege stehen könnte.«
Der Sekretär zuckte zusammen: »Eine christliche Bruderschaft?«
»Warum verblüfft dich das?«
»Gerade eben hat Bandar mir von einem Detail berichtet, auf das ich nicht viel gegeben und über das ich Euch deshalb irrtümlicherweise nicht in Kenntnis gesetzt habe.«
»Das wäre?«
»Einer seiner Männer hat die beiden Gefangenen belauscht, und aus ihren Gesprächen geht hervor, dass sie als ihre Entführer nicht uns im Verdacht haben.«
»Und wer, meinen sie, hat sie entführt?«
»Eine christliche Sekte. Sie haben sie die ›Vernichter‹ genannt.«
Der Prinz blieb abrupt stehen. »Wie sagtest du?«
»Ver-nich-ter«, wiederholte Hussayn, jede einzelne Silbe betonend.
»Lass uns umkehren«, beschloss Amir Khan und wandte sich von dem Fähnchen auf dem Grün ab.
»Spielt Ihr das Loch nicht zu Ende?«
»Dieser Ball wird auch morgen früh noch da sein, Hussayn. Was den Rest angeht, bin ich nicht so sicher.«
56
Ort: Turin
Weltzeit: Samstag, 27. Juni, 16.28 Uhr (GMT)
Ortszeit: 18.28 Uhr
Liam und Alanna saßen immer noch am Konferenztisch. Die Luft wurde immer stickiger, und keiner der Entführer hatte sich bisher gezeigt. Sie versuchten beide, ihren Hunger und vor allem ihren Durst zu vergessen und sich Klarheit über ihre Lage zu verschaffen. Je mehr Zeit verging, desto wahrscheinlicher erschien ihnen die Theorie, dass Leute aus dem Dunstkreis von ZeroOne Code für ihre Entführung verantwortlich waren.
Alanna zitterte leicht und ruckte auf dem Stuhl herum: »Ich habe Angst, Liam.«
»Wir müssen uns fügen. Und warten«, sagte er. Er stand auf, setzte sich neben sie und legte sanft seine Hand auf ihren Arm, um sie zu beruhigen.
Er schaute sie zärtlich an. Er spürte ihre Angst, in die sich eine sanfte, traurige Melancholie mischte.
Sie sahen einander eine Weile stumm in die Augen, wie es in besonders emotionsgeladenen Situationen passiert, in denen Menschen, die wir zu kennen glauben, uns plötzlich ganz verändert und wie Fremde vorkommen.
Alanna unterbrach die irreale Atmosphäre, indem sie aufstand und an die Bücherwand herantrat. Sie nahm einen wuchtigen, ledergebundenen Band heraus.
»Hier ist eine Bibel«, sagte sie.
»Hilft die uns, hier herauszukommen?«, fragte er betrübt.
»Kann sein«, sagte sie ernst. »Wenn Molteni recht hat, dann stecken alle Antworten hier drin.«
Liam nickte. Sie gab ihm das Buch, er legte es auf den Tisch und blätterte einige Seiten durch. »Das ist die offizielle Version der CEI, mit italienischem Text … und der Originalquelle: die Vulgata des Hieronymus, auf Latein.«
Alanna schaute ihn fragend an.
Er merkte, dass eine Erklärung nötig war: »Die CEI ist die Italienische Bischofskonferenz, also die Vereinigung der Bischöfe, die die offizielle Linie der italienischen Kirche festlegt. Und die Vulgata von Hieronymus ist die lateinische Originalversion des Alten und Neuen Testamentes, die als kanonische Quelle gilt und …«
»Halt, ich habe verstanden. Hier ist auch die Apokalypse drin, richtig?«
»Ja, sicher«, nickte Liam, der merkte, dass sie einen neuen Gedanken verfolgte.
»Hör mal«, sagte Alanna, »Molteni hat geschrieben, dass der Presbyter von Johannes, das heißt, praktisch sein Sekretär, den Originaltext der Prophezeiung verschleiert hat. Verschleiert, nicht vernichtet. Das bedeutet, dass sich auch in der offiziellen Version der Apokalypse noch Spuren der Originalprophezeiung finden müssten, oder?«
»Die wird seit Jahrhunderten erforscht. Ich sehe nicht, was wir da noch Neues entdecken könnten …«
»Zuerst einmal wissen wir, was wir suchen«, erwiderte Alanna. »Und das ist schon mal ein großer Vorteil. Außerdem bin ich eine Philologin und
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