Die letzte Zeugin
geglaubt, dass er eines Tages seine Stimme für den Bürgermeister Russell Conroy würde abgeben müssen.
»Warum hast du das vor?«
»Ich werde ein guter Bürgermeister sein.« Russ öffnete die Tür zum Diner und winkte der Kellnerin, als sie eine Nische ansteuerten. »Bickford war immer gut zu mir. Ich habe hier ein Heim gefunden, habe genug Geld zum Leben, und vor allem habe ich Seline und CeeCee. Ich will der Stadt eine Chance geben zu wachsen – und dabei solide zu bleiben.«
»Das könntest du bestimmt gut.« Brooks lehnte sich zurück, als Kim ihnen Kaffee einschenkte, ohne dazu aufgefordert worden zu sein. Russ plauderte mit ihr.
Wahrscheinlich war er dazu geboren, dachte Brooks.
»Bürgermeister Conroy«, murmelte Brooks und hob seinen Kaffeebecher.
»Chief Gleason.«
»Ist das nicht wie ein Tritt in die Eier? Wir sind die Erwachsenen. Vor allem du, Daddy.«
»Im September werde ich zum zweiten Mal Daddy.«
»Wirklich? Noch eins?«
Stolz und Freude spiegelten sich auf Russ’ Zügen. »Ja.«
»Hey, Glückwunsch, Russ. Du leistest gute Arbeit auf diesem Gebiet.«
»Wir wollten es eigentlich noch einen Monat lang verschweigen, aber Neuigkeiten verbreiten sich rasch.« Er beugte sich ein bisschen vor. Montagmorgens war es still im Diner, und hier waren die Ohren immer für den neuesten Klatsch gespitzt. »Seline kotzt sich die Seele aus dem Leib. Ein paar der anderen Lehrer – auch dein Dad – haben schon gemerkt, dass sie so von innen heraus leuchtet.«
»Er hat keinen Ton zu mir gesagt, und dabei habe ich ihn gestern ziemlich lange gesehen.«
»Sie hat ihn gebeten, den Mund zu halten. Dein Dad ist verschwiegen wie ein Grab.«
»Ja, das stimmt.«
»Ich muss also umsichtig leben, da ich ein verheirateter Mann und Vater von anderthalb Kindern bin.« Russ wackelte mit seinen roten Augenbrauen. »Hattest du am vergangenen Wochenende ein heißes Date?«
»Kurz vor elf wurde ich gerufen, um eine Prügelei bei Beaters zu schlichten. Justin Blake hat alle Leute angemacht.«
»Der Junge ist ein Unruhestifter.«
»Und außerdem auch noch aggressiv, verwöhnt und minderjährig. Und Drogenmissbrauch ist im Spiel. Sein Daddy war nicht erfreut, dass ich seinen Erstgeborenen in die Ausnüchterungszelle gesperrt habe.«
»Lincoln ist ebenfalls ein Unruhestifter. Und er hat auch noch jede Menge Geld. Es wundert mich, dass sie den Jungen bei Beaters überhaupt bedient haben.«
»Laut den Zeugen, mit denen ich gesprochen habe, eben nicht. Er hat sich einfach hineingedrängt, war schon alkoholisiert, und als sie versucht haben, ihn wieder hinauszubefördern, hat er alle angepöbelt. Auf jeden Fall ist Blake mit seinem Anwalt zur Wache gekommen.«
»Das klingt nicht nach einem lustigen Samstagabend.«
»Und auch noch ein Stück vom Sonntagmorgen«, fügte Brooks hinzu. »Jetzt ist der Junge auf Kaution frei. Er muss eine Entziehungskur machen und soziale Arbeit leisten, Strafe zahlen und den Sachschaden wiedergutmachen, den er angerichtet hat. Kaum neunzehn und schon aus zwei Colleges herausgeflogen, zweimal mit Alkohol am Steuer erwischt und mehr Verkehrsdelikte, als ich zählen kann. Sie haben ihm den Führerschein für ein weiteres Jahr weggenommen, aber das scheint ihn nicht daran zu hindern, sich weiterhin zu betrinken oder Drogen zu nehmen und dann alles kurz und klein zu schlagen.«
»Ach, die Jugend.«
Brooks wies mit seinem Kaffeebecher auf sich. »So dumm oder so arrogant waren wir nicht.«
»Wir waren schon ziemlich blöd, aber du hast recht, so nicht. Wir haben uns wenigstens nicht hinters Steuer gesetzt, wenn wir uns zugedröhnt haben.« Russ lehnte sich zurück und schob sich seine karottenroten Haare aus der Stirn. »Du brauchst einen freien Samstagabend, Kumpel. Du weißt ja, dass Seline eine Liste von verfügbaren Freundinnen hat, die sich schrecklich gerne einmal mit dir treffen würden.«
»Eher bringe ich dich um, und als Polizeichef weiß ich auch, wie ich es machen muss, um ungeschoren davonzukommen.«
»Ich meine ja nur. Es sei denn, du triffst dich immer noch mit Sylbie.«
»Das ist vorbei. Ein für alle Mal.«
»Dann …«
»Ich war in der letzten Zeit ein paarmal mit Abigail Lowery zusammen.«
»Im Ernst?« Interessiert beugte Russ sich vor. »Erzähl mehr davon.«
»Ich muss zur Arbeit.«
»Du kannst das doch nicht einfach so erwähnen und nicht weiterreden.«
»Sagen wir mal, sie ist interessant, geheimnisvoll, sexy, ohne es sein zu wollen. Sie hat einen Hund, der
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