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Die Narbe

Die Narbe

Titel: Die Narbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
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Psychoklempner, die Kattowitz und dann die Studentin und die weiteren Mitglieder der Therapiegruppe?«
    »Steinhaus hat ihn vermutlich als Letzter lebend gesehen. Vielleicht kann uns die Witwe den Kontakt herstellen. Aber die Kattowitz sollten wir auf morgen Vormittag legen, dann ist sie allein. Ich bin sicher, dass sie in Gegenwart ihres Kindes und ihres Freundes viel weniger gesprächig ist.«
    »Sollen wir sie vorladen?«
    »Nein. Ich will in die Wohnung, wo sie auch arbeitet. Da ist etwas, was ich noch genauer verstehen will.«
    »Okay. Dann werde ich jetzt mal meinen Freund von der Streife anrufen, ob sie schon bei der Witwe gewesen sind.«
    Die Reuthers wohnten in Unterföhring, am nordöstlichen Stadtrand Münchens. Gerald war erst wenige Male dort gewesen und hatte die Gemeinde gesichtslos empfunden, als eine Aneinanderreihung von Straßen ohne eigentliches Zentrum. Was nichts daran änderte, dass die Gemeinde als Standort von Medienkonzernen und eines internationalen Versicherungskonzerns prosperierte und kontinuierlich Land in Bauland verwandelte.
    Das Haus der Reuthers lag in einem Neubaugebiet an der Durchgangsstraße; ein klassisches Einfamilienhaus mit einem schlichten Vorgarten aus kurz gemähtem Gras, während die Nachbarn zu beiden Seiten Blumenbeete und Sträucher bevorzugten. Als sie auf das Haus zugingen, ließ sich Batzko zurückfallen; bei psychologisch heiklen Begegnungen überließ er gerne Gerald die Führung.
    Es dauerte eine gewisse Zeit, bis Katja Reuther die Haustür öffnete. Eine eher kleine Frau, schlank und sportlich. Dieser Eindruck wurde von der Tatsache begünstigt, dass sie eine Trainingshose trug und ein weißes T-Shirt. Ihre Haare waren schulterlang und glatt, in der Mitte gescheitelt. Sie trug keinen Schmuck und war nicht geschminkt; eine Frau mit einer natürlichen Ausstrahlung, eine, nach der man sich nicht unbedingt den Hals verrenkt, dachte Gerald.
    Katja Reuther rang sich ein kurzes Begrüßungsnicken ab und bat die Kommissare herein. Gerald wunderte sich über die Garderobe der Reuthers. Sie war zweigeteilt, ein Bereich für die Erwachsenen, einer für Kinder in bunt bemaltem Holz, mit Haken in entsprechender Höhe und einer Fußmatte mit dem Motiv irgendeines Disney-Films. Es überraschte Gerald, denn seiner Erinnerung nach hatte Arno nur vom Kinderwunsch seiner Frau berichtet. Er hatte aber nie erwähnt, dass sie bereits Kinder – möglicherweise aus einer früheren Beziehung – hatte.
    Frau Reuther bat die Herren ins Wohnzimmer, das geschmackvoll, wenngleich konventionell eingerichtet war. Eine Essecke auf der linken Seite mit einer Durchreiche zur Küche, Bücherregale, ein Fernseher, auf der gegenüberliegenden Seite eine Sitzgarnitur aus hellem Leder, ein ovaler Glastisch und ein Kamin. Auf dem Esstisch lag eine geöffnete Packung mit Tabletten. Der Garten verzichtete auch hinter dem Haus zugunsten eines Rasens weitestgehend auf Blumen und Sträucher.
    »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
    Die beiden Kommissare verneinten und nahmen auf den Ledersesseln Platz. Gerald legte einen Notizblock auf den Tisch. Katja Reuther setzte sich auf das Sofa und schaute in den Garten. Sie hielt ein zerknülltes Taschentuch in den Händen. Jetzt erst erkannte Gerald an ihren Augen, dass sie heftig geweint haben musste.
    Gerald drückte sein Beileid aus – was Frau Reuther mit einem knappen Kopfnicken beantwortete, ohne den Blick in seine Richtung zu lenken – und erläuterte kurz die Umstände des Verbrechens.
    »Unsere Kollegen haben Sie ja bereits von der schrecklichen Tat unterrichtet. Es könnte sich um Raubmord oder um ein willkürlich begangenes Verbrechen handeln, bislang haben wir leider noch keine Spur. Zunächst gehen wir aber davon aus, dass sich Täter und Opfer kannten. Einige Indizien sprechen dafür. Wir sind also besonders auf Ihre Hilfe angewiesen.«
    Sie reagierte nicht, und Batzko fragte: »Gibt es jemanden, dem Sie eine solche Tat zutrauen würden? Hatte Ihr Mann, beruflich oder privat, Feinde? Wie war das Verhältnis zu seiner Familie?«
    Sie schien die Frage gar nicht gehört zu haben. Ihr Blick blieb auf den Garten gerichtet. Dann, unverhofft, ging ein Ruck durch ihren Oberkörper, und sie drehte sich entschieden in Batzkos Richtung, als hätte sie sich genau in diesem Moment entschlossen, sich der Wirklichkeit des Verbrechens zu stellen.
    »Arno hatte keine Feinde. Ich kann das, denke ich, beurteilen, weil wir uns schon einige Jahre kennen und

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