Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
ohnehin fragte, ob ihn letztlich nicht Männer mehr faszinierten. Matilda erwiderte seinen Blick ungerührt, ja prüfend. Abgesehen von seinem Vater erinnerte sie ihn noch an jemand anderen, aber Richard kam nicht darauf, an wen.
»Unser Vater hat Euch gegenüber also nicht erwähnt, dass Ihr eine Halbschwester habt, die Äbtissin ist«, sagte sie schließlich.
»Vielleicht hat er es erwähnt, und ich habe es vergessen. Außerdem habe ich den König während der letzten Jahre nicht oft zu Gesicht bekommen.« Ja, bis zu dem Zeitpunkt, als der Vater eine Rebellion witterte, hatte er sich nie sehr um ihn und seinen Bruder Henry gekümmert.
Richard lächelte Matilda an. »Allerdings wundere ich mich schon, wenn ich offen sein darf, dass Ihr Euch nicht Eurem geistlichen Stand gemäß kleidet.«
»Oh, manchmal ziehe ich einfach die Gewänder einer Königstochter vor«, erwiderte sie leichthin.
»Einer illegitimen Königstocher, um genau zu sein«, gab Richard sehr freundlich zurück. Sie quittierte seine Antwort mit einem leichten Nicken – ein Zugeständnis, dass er einen Treffer gelandet hatte. Dann widmete sich Matilda wieder ihrem Entenstück. Schnell und sicher gebrauchte sie ihr Messer. Richard konnte sich gut vorstellen, dass sie bei der Jagd ebenso geschickt ein Tier häuten würde. Plötzlich wurde ihm klar, an wen sie ihn erinnerte – an ihre gemeinsame Großmutter, die denselben Namen getragen hatte. Als Junge war er der Mutter seines Vaters einige Male begegnet. Eine noch im hohen Alter äußerst einschüchternde Frau, in deren Gegenwart er es nicht gewagt hatte, sich schlecht zu benehmen.
»Ich hoffe, Ihr spannt mich nicht länger auf die Folter«, sagte er schließlich, nachdem sie ihre Mahlzeit beendet hatten. »Ich kann es kaum erwarten, Eure Strafpredigt zu hören.«
Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und bedachte ihn mit einem langen, abwägenden Blick. Als hätte er eine Prüfung bestanden, sagte sie dann: »Nun, ich bin nicht gekommen, um Euch zu schelten. Im Gegenteil – ich möchte Euch und Henry meine Unterstützung bei dem Aufstand anbieten.«
»Wie meint Ihr das?« Richard glaubte, sich verhört zu haben.
»Genau so, wie ich es sagte.« In ihrer Stimme schwang Ungeduld mit. »Wenn Ihr erfolgreich sein wollt, werdet Ihr auch Verbündete jenseits des Kanals brauchen. Ich könnte dort Eure Verbindungsfrau sein.«
»Und warum wollt Ihr das tun?« Richard lachte trocken auf. »Immerhin verdankt Ihr unserem Vater einiges. Er hat Euch mit einem ebenso angesehenen wie lukrativen Amt ausgestattet. Mehr kann ein Bastard« – er war absichtlich brutal – »nun wirklich nicht erwarten.«
Matilda nahm die Beleidigung hin, ohne mit der Wimper zu zucken. »Möglicherweise war es ja nicht mein Wunsch, Äbtissin zu werden«, entgegnete sie kühl. »Und möglicherweise hat es mir auch nicht gefallen, wie unser Vater meine Mutter behandelt hat.«
Vor seiner derzeitigen Geliebten hatte der König immer nur kurze Liebschaften gehabt. Frauen, die ihm lediglich dazu gedient hatten, seine Begierde zu stillen, und an denen sich Richards Mutter deshalb nie gestört hatte. Matildas grünliche Augen, in denen sich die Kerzenflammen spiegelten, kamen Richard wie Eisflächen vor, hinter denen ein Feuer brannte. »Aber das sind nicht Eure einzigen Gründe«, sagte er gelassen.
»Vielleicht habt Ihr Recht.« Sie trank einen Schluck Wein. »Vielleicht irrt Ihr Euch jedoch auch. Mein Angebot steht. Die Entscheidung liegt bei Euch. Aber ich möchte noch heute Abend eine Antwort.«
»Weshalb seid Ihr zu mir und nicht zu Henry gekommen?«
»Ich könnte jetzt sagen, weil mir Euer Quartier etliche Wegmeilen erspart hat.« Wieder kräuselten sich ihre Lippen. »Aber die Wahrheit ist, ich habe Erkundigungen über Euch eingezogen, und ich halte Euch, obwohl Ihr der Jüngere seid, für den Vielversprechenderen.«
»Oh, Euer Vertrauen ehrt mich.« Trotz seines Spotts fühlte sich Richard ein bisschen geschmeichelt. Er hob seinen Kelch. »Auf unseren Pakt, Schwester.«
»Ja, auf unseren Pakt.« Matilda stieß mit ihm an.
*
In einem Burgzimmer nippte Matilda an einem warmen Würzwein. Mittlerweile war es spät in der Nacht. Aber sie konnte nicht schlafen. Deshalb hatte sie ihre Magd vor einer Weile in die Küche geschickt, um ihr das Getränk zu holen.
Richard hat sich zu einem ausgesprochen hübschen Burschen entwickelt , dachte sie anerkennend und ein wenig spöttisch. Er
Weitere Kostenlose Bücher