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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Lott
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heidnischen Sitten und Gebräuchen, gefährlichen Tieren, Seuchen und dem krankmachenden Klima im sumpfigen Urwaldgürtel östlich des Himalayagebirges.
    Während Carl nach Fotomotiven Ausschau hielt, inspizierte Gustav das Teeangebot und entdeckte wie erwartet keinen Tee aus Sikkim. Sie warteten geduldig vor einem Geschäft mit folkloristischem Schmuck, als Kathryn nicht widerstehen konnte und rasch hineinhuschte, um zwei Paar Ohrringe auszuprobieren, die sie in der Auslage gesehen hatte. Die auffallenden Gehänge aus gehämmertem Silber unterschieden sich nur durch die eingefassten Schmucksteine. Das eine Paar zierte ein großes, gerundetes Stück Koralle in der Mitte, das andere hatte einen Türkis und einen Kranz kleiner Korallen darum herum. Kathryn konnte sich nicht entscheiden. Spielerisch hielt sie sich von jeder Art ein Exemplar an die Ohren und trat ans Schaufenster. Gustav hob spontan den Daumen für den Ohrring rechts, Carl wies entschieden auf den linken. Kathryn legte dem Verkäufer beide wieder auf den Tresen zurück und kam lachend aus dem Geschäft heraus.
    »Es muss ja nicht sein«, erklärte sie, »eigentlich hab ich auch genug Schmuck von meiner Mutter.«
    Gustav wollte gern einen Teesalon besuchen.
    »Ich schau dann noch schnell bei meinem Schneider herein, er hat etwas für mich in Arbeit«, sagte Kathryn.
    »Und ich würde gern ein paar Mitbringsel besorgen«, meinte Carl. »Kommst du mit, Gustav?«
    Die beiden Männer kauften Souvenirs für ihre Familien und Freunde. Gustav prüfte weiter das Teeangebot. Auch hier konnte er keine Mischung aus Sikkim finden. Dann reichten ihm und dem Freund der Lärm der Automobile, Pferdewagen und Rikschas, das Hundegebell und Kindergeschrei, und sie setzten sich in einen Teesalon mit Blick auf die Mall, wo ein freundlicher Inder ihnen Tee servierte. Sie sahen fasziniert aus dem Fenster. Kinder in Schuluniform liefen vorbei, Inderinnen in farbenfrohen Saris, auffallend viele schwangere Engländerinnen, die offenbar lieber hier als woanders in Indien ihr Kind zur Welt bringen wollten, und altgediente Militärs, die, das hatte Mr Whitewater ihnen erzählt, ihre Pension in der Stadt mit Pferdewetten verprassten. Aushänge machten auf Veranstaltungen und Sportereignisse aufmerksam. Es gab Tennisturniere, Cricket- und Rugby-Spiele, Pferderennen, Polo, Schulfeste mit Tombola, Bälle, Vogelausstellungen, Tanztees.
    Gustav und Carl schwirrte der Kopf von den vielen neuen Eindrücken. Und sie waren erst am Anfang ihres Abenteuers …
    Kathryn stand in einem knöchellangen apricotfarbenen Seidenkleid vor dem Spiegel. Das Kleid war körperbetont und hochgeschlossen, die Farbe schmeichelte ihrem Teint und betonte den kupfernen Schimmer in ihrem Haar. Der elegante Rock fiel leicht glockig, wie es jetzt in Paris der letzte Schrei war. Zwei Gehilfinnen des indischen Schneiders steckten hier und dort noch etwas ab.
    »Autsch«, entfuhr es Kathryn, als sie von einer Nadel gepiekt wurde. Doch sie beschwichtigte sogleich. »Schon gut, macht nichts, ist nicht schlimm.«
    Mr Singh entschuldigte sich seufzend. »Es ist schwer, gute Mitarbeiter zu finden. Man muss ein Gefühl für diese Arbeit haben …« Beflissen zupfte er hier und dort am Stoff, verschränkte die Arme, ging um Kathryn herum. Der noch recht junge, aber sehr erfolgreiche Inder stemmte eine Faust unters Kinn, überlegte, wirkte unzufrieden. »Nein, Miss Whitewater, da fehlt noch was.« Sein Gesicht hellte sich auf, er holte eine der Modezeitschriften, ein neu eingetroffenes Pariser Magazin, blätterte darin und hielt ihr schließlich eine Illustration unter die Nase. »Das ist es! Ein tiefes Dekolleté, ganz elegant mit Wasserfallkragen! Wirklich, Sie können so etwas tragen.«
    Kathryn zögerte. Sie fand immer, dass ihr Busen nicht groß genug war. Schön fest zwar, aber so klein … Eine Weile war die Mode ihr in dieser Hinsicht entgegengekommen. Der androgyne Typ bestimmte den Zeitgeschmack. Manche ihrer Freundinnen banden sich sogar mit Bandagen die Brust, um eine knabenhaftere Figur zu bekommen, und die Taille wurde unter geraden Schnitten versteckt. Aber sie selbst mochte weiche Rundungen viel lieber, so wie es jetzt offenbar wieder in Mode kam. Kathryn war sportlich, empfand sich aber als zu schmal und um die Schultern herum zu knochig. Ihr Blick fiel auf eine andere Modezeichnung. Das Kleid hatte ebenfalls einen Wasserfallausschnitt, noch viel tiefer, jedoch im Rücken.
    »Das hier ist hinreißend!«, rief

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