Die roten Blüten der Sehnsucht
ritt sie ihn, und als sie schließlich mit einem lauten Schrei auf seine Brust sank, glitt sie in eine Art Trance, in der nichts mehr von Bedeutung war als die unendliche Lust, die sie mit Ian empfand.
Sie hielten sich nicht mehr lange in Adelaide auf, obwohl Mutter Schumann sie gerne für ein paar Tage als Gäste beherbergt hätte. Sie wusste wenig von dem neuen College zu erzählen, dafür Lischen umso mehr. » Es gab immer Probleme zwischen dem Stiftungsrat und Bischof Short. Wenn es nach ihm ginge, wäre das College nur für zukünftige Geistliche. Als der Unterricht noch in den Räumen der Holy Trinity stattfand, hat er sich meistens durchgesetzt. Glücklicherweise hatte er nicht genug Geld, um die neue Schule zu bauen. Und Mr. Allen hat als Bedingung dafür, dass er die Baukosten übernimmt, verlangt, dass die Kirche sich heraushält. Zumindest aus dem Unterricht. Bischof Short soll ja immer alles zu modern gewesen sein, was es nicht auf Griechisch und Latein gab.« Lischen grinste undamenhaft. » Für den guten Bischof ist es sicher hart, wenn der neue Lehrer, der demnächst dort anfängt, auch Chemie und Mechanik unterrichtet. Und sogar einen französischen Tanzlehrer soll es geben– allerdings nur auf Extrawunsch der Eltern.«
» Woher weißt du das alles?«
» Ach, ich war bei einer dieser öffentlichen Vorlesungen über Elektrizität, die Mr. Allom in der Literarischen Gesellschaft abgehalten hat. Und dort habe ich mich ein wenig mit Mr. Flaxman unterhalten. Er ist übrigens ganz begeistert von der Schule. Alle seine drei Söhne sind dort.«
Der erste Eindruck, den St. Peters auf Dorothea machte, war eher einschüchternd: Die schmalen Spitzbogenfenster, die hohen Giebel der Fassade, das schwere dunkle Eingangsportal– alles wirkte, als stünde es seit Jahrhunderten an diesem Platz. Fast erwartete sie, dass ein Ritterfräulein sich aus einem dieser Fenster lehnen und nach ihrem Begehr fragen würde.
Ob es in Oxford tatsächlich so aussah?
Ihr Mann zeigte sich eher unbeeindruckt. Nach einem kritischen Blick auf die restlichen Stein- und Balkenhaufen, die immer noch vor der Eingangstreppe lagerten und auf ihren Abtransport warteten, meinte er nur: » Am Baumaterial wurde wirklich nicht gespart!«, bevor er die Stufen hinaufschritt und energisch den Türklopfer betätigte.
Kein Herold in prächtigem Gewand öffnete den einen Torflügel, sondern ein ziemlich kleines Männchen mit auffallend spitzer Nase. Offenbar hatte er recht hastig seinen Talar angelegt, denn er war nur halb zugeknöpft, und auch der viereckige Magisterhut saß schief auf seinen dunkelbraunen Locken.
» Guten Morgen, die Herrschaften.« Er verbeugte sich gewandt und trat zurück, um ihnen den Weg freizugeben. » Bitte treten Sie ein. Ich bin Magister Samuel Allom. Ich vermute, Sie interessieren sich für unsere neuen Räumlichkeiten?«
» Ian Rathbone. Und das ist meine Frau.« Er streckte dem Männchen die Hand entgegen. » Wir überlegen, unseren Sohn bei Ihnen anzumelden.« In der Eingangshalle, die bei aller Schlichtheit durch ihre schiere Höhe und Größe beeindruckte, hallte seine sonore Stimme unerwartet. Mit gesenkter Stimme fügte er hinzu: » Natürlich möchten wir uns erst einmal einen Eindruck verschaffen.«
Mr. Allom verbeugte sich erneut. » Selbstverständlich. Wenn ich Sie bitten dürfte, sich in unserem Visitationsbuch einzutragen?« Er wies auf ein Stehpult mit einem aufgeschlagenen, in braunes Leder gebundenen Buch. » Wie Sie sehen können, nehmen die Eltern unserer Schüler regen Anteil.«
Dorothea blätterte ein wenig zurück. Tatsächlich war im letzten Jahr keine Woche vergangen, in der sich niemand eingetragen hatte.
» Auch unser Stiftungsrat nimmt seine Aufgabe sehr ernst«, bemerkte Mr. Allom eine Spur süffisant. » Aber ich darf sagen, dass bei keiner der Visitationen irgendwelche Beanstandungen geäußert wurden.« Als Erstes führte er sie zum nagelneuen Schulzimmer, einem Raum von etwa zehn Meter Breite und dreiundzwanzig Meter Länge, hell und luftig durch zahlreiche raumhohe Fenster. » Hier ist Platz für bis zu hundertzwanzig Schüler«, erklärte er stolz. » Momentan sind es erst vierzig, aber unser guter Ruf beschert uns jedes Jahr weitere Anmeldungen. Unser Ziel ist eine gute, umfassende Allgemeinbildung und eine Festigung des Charakters. Dazu das nötige Maß gesellschaftlicher Gewandtheit, um sich auch in höheren Kreisen bewegen zu können. Deswegen der Tanzlehrer und französische
Weitere Kostenlose Bücher