Die Rückkehr der Königin - Roman
sich, wie Sif auf seine Königsherrschaft Anspruch erhoben und welche Rolle Fodrun dabei gespielt hatte. Es gab sogar ein Gerücht über ein Dokument, das Angharas Krönung in Gegenwart des Kronrats ihres Vaters bezeugen wollte, noch ehe Sif einen Fuß nach Miranei hineingesetzt hatte. Damit wurde sein Anspruch noch dünner. Sif glaubte zu wissen, wer dieses Gerücht in die Welt gesetzt hatte, aber trotz all seiner Bemühungen, Deira zu finden, die einst sein Werkzeug gewesen war, um einer sterbenden Königin die Wahrheit abzupressen, blieb diese unauffindbar und wie vom Erdboden verschluckt.
Ebenso Anghara und ihre Gefährten. Wie früher, als sie erst neun Jahre alt gewesen war, schickte Sif Suchtrupps nach ihr aus – doch mit wenig Erfolg. Er verfluchte sich als weichherzigen Narren und schwor sich, dass er diesmal, sobald er Anghara wieder in Händen hätte, das Problem ein für allemal aus der Welt schaffen würde.
Inzwischen belagerten ihn scharfe Zungen in Miranei, die sich blitzschnell in Dolche verwandeln konnten – wie ihm nur zu bewusst war. Es war schwierig zu bestreiten, was sich immer mehr als offensichtliche Wahrheit entpuppte, nicht wenn er derartig große Aufgebote hinausschickte, um die entflohene Gefangene zu suchen – aber sie nicht zu verfolgen, war undenkbar.
Und dann war Nachricht aus Shaymir gekommen. Sif verfügte schon lange über ein ganzes Netzwerk von Spionen in Kierans Heimatland – das Land, in das der Gesetzlose wahrscheinlich zurückkehren würde. Dieses Netz fing jetzt endlich einen größeren Fisch. Hörensagen, ein Gerücht, lediglich ein Atemzug, der mit Anghara zu tun hatte, und Sif befahl, allem nachzugehen. Lange brauchten seine Männer nicht. Sie fanden ein kleines Dorf am Rande der Wüste und einen Kamelhändler, der sich erinnerte, drei Kamele an einen jungen Mann und eine junge Frau mit hellem Haar als Tausch für drei müde Pferde aus Roisinan verkauft zu haben. Der Wirt der Herberge in diesem Ort erinnerte sich, zwei junge Reisende unter seinem Dach gehabt zu haben, zusammen mit fahrenden Sängern, die für seinen Laden wirklich zu gut gewesen waren. Die Musiker hießen Shev und Keda. Sif stach sofort ins Auge, dass Keda aus demselben Dorf stammte wie Kieran, und dass sie vor ihrer Heirat denselben Namen getragen hatte. Er befahl ihre Gefangennahme.
Ob aufgrund einer Warnung oder durch das selbstlose Opfer ihres Gemahls – jedenfalls entkam Keda. Doch Sheva wurde gefangen genommen. Vielleicht war er selbst schuld daran, denn es war seine lose Zunge gewesen, die das Geheimnis von Angharas Reise verraten hatte. Angharas Reise nach Kheldrin sprach von großer Kraft und Aufopferung; Shev hatte daran teilgehabt und er war ein Sänger. Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, ein Lied darüber zu singen, was er an jenem Tag gesehen hatte, welche Form alles annahm. In Sifs Händen hatte Shev anfangs versucht, jegliches Wissen über Anghara abzustreiten, aber Sif musste ihren Aufenthaltsort herausfinden – und das schnell. Seine Männer hatten Befehl, nicht zimperlich zu sein, um diese Information aus Shev herauszuholen. Der Musiker brach zusammen, als sie ihm systematisch jeden Finger der linken Hand zerschmetterten und drohten, mit der rechten zu beginnen. Sif erfuhr von dem Ritt in die Wüste von Shaymir, von dem singenden Stein und der halb übersinnlichen Durchquerung des Gebirges. Schließlich hörte er von Kheldrin. Das erklärte mehr als ein Rätsel – denn Anghara musste früher dort gewesen sein, wenn sie jetzt wieder dorthin ritt. Kheldrin hatte den Ruf, ein Land zu sein, wo Hexen regierten und Magie überall zu Hause war, selbst wenn sie es nicht das Zweite Gesicht nannten. Es ergab einen Sinn, dass Anghara dort Zuflucht suchte. Wieder war er von dem, was er zu zerstören geschworen hatte, geschlagen worden. Nun beging Sif seinen dritten Fehler – er schickte einen Boten nach Kheldrin und verlangte Angharas Auslieferung, ansonsten würde es zum Krieg kommen.
Er schickte diese Botschaft mehrfach an verschiedene Orte. Es gab nur einen Grund, weshalb er derartige Anstrengungen unternahm, die junge Frau zu vernichten – sie konnte kaum eine Hochstaplerin sein, wie er behauptete. Nur die offensichtliche Tatsache, dass er ebenfalls von den Kir Hama abstammte, verhinderte, dass an vielen Orten ein Aufstand aufflammte. Aber Miranei war eine Stadt gewieft in königlichen Intrigen und Politik und wusste, dass ihr, sollte Sif entmachtet werden und Anghara –
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