Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers
und unterhielten sich über die erfolgreiche Jagd. Kein Laut drang aus den Schnäbeln, der die Ruhe der anderen gestört hätte, denn die gewaltigen Vögel verständigten sich mittels Gedankensprache, und niemand außer den Nebelelfen wäre in der Lage gewesen, das stumme Gespräch der beiden zu belauschen. Irgendwann hockte sich einer der beiden zum Schlafen hin, doch der andere fand keine Ruhe.
6
»Wo Numair nur bleibt?« Chiriga, ein hellgraues Weibchen, hielt in der Gefiederpflege inne, blickte beunruhigt zum Höhleneingang und wandte sich wieder dem Riesenalp zu, der neben ihr vor sich hin döste. »Die Sonne ist längst aufgegangen.«
»Dein Sohn wird gewiss noch kommen, keine Sorge«, murmelte das Männchen träge.
»Aber er ist schon so lange fort«, wandte Chiriga ein. »Noch vor Sonnenuntergang ist er allein zur Jagd aufgebrochen. Ich weiß auch, dass er manchmal spät zurückkommt, aber so lange war er noch nie fort.«
»Numair ist ein guter Flieger.« Das Männchen blinzelte gelassen und fragte: »Warum rufst du ihn nicht?«
»Das versuche ich schon die ganze Zeit«, erwiderte Chiriga und schüttelte das Gefieder. »Immer wieder habe ich Gedankenrufe an ihn ausgesandt, doch seit Mitte der Nacht habe ich keine Antwort mehr erhalten.«
»Ihm wird schon nichts zugestoßen sein«, meinte das Männchen, öffnete den riesigen Schnabel und gähnte. »Numair ist noch sehr jung und lässt sich leicht ablenken. Wer weiß, vielleicht hat er ein nettes Weibchen getroffen und möchte nicht gestört werden.«
»Ich hoffe, du hast Recht.« Das Riesenalpweibchen warf erneut einen besorgten Blick zum Höhleneingang.
»Chiriga, dein Sohn ist schon seit fünfzehn Sommern ausgewachsen«, sagte das Männchen. »Seit die Quarline von den Nebelelfen ausgerottet wurden, gibt es in ganz Thale kein Lebewesen mehr, das einem ausgewachsenen Riesenalp gefährlich werden könnte. Also beruhige dich und schlaf ein wenig.« Um seine Worte zu unterstreichen, schob er den Schnabel unter den Flügel und schloss
die Augen.
Chiriga erwiderte nichts. Schweigend setzte sie die Gefiederpflege fort. Als sie damit fertig war, hockte auch sie sich hin, um ein wenig zu schlafen, doch sie fand keine Ruhe. Immer wieder schaute sie blinzelnd nach draußen, in der Hoffnung, die Silhouette ihres Sohnes am Himmel über Nimrod zu erblicken - vergeblich. Schließlich fiel sie in einen unruhigen Schlummer.
Plötzlich wurde es dunkel, und vor dem Höhleneingang erschien die imposante Gestalt eines großen Riesenalps. Mit weit ausgebreiteten Flügeln verringerte er geschickt die Fluggeschwindigkeit, streckte die mächtigen Krallen vor und landete sicher auf dem schmalen Felsabsatz vor den Höhlen. Das scharrende Geräusch, mit dem die Hornkrallen über den Felsboden kratzten, weckte Chiriga, und sie sah auf in der Hoffnung, Numair sei endlich zurückgekommen. Doch der Riesenalp, dessen Ankunft sie aufgeschreckt hatte, war nicht ihr Sohn.
Im Höhleneingang stand Letivahr, der älteste und erfahrenste Kuriervogel von Nimrod.
Gemeinsam mit Glamouron, dem Nebelelfen, flog er seit mehr als fünfzig Sommern im Auftrag des Druidenrats und sorgte für eine zuverlässige Verbindung zwischen dem Elfenkönig in den Sümpfen von Numark und dem Druidenrat in der Festungsstadt.
Auch in dieser Nacht war er wieder mit Glamouron unterwegs gewesen. Chiriga konnte den grauen Haarschopf des Elfen hinter Letivahrs Nackengefieder erkennen, während dieser die Höhle betrat. Diesmal schien es der Elf ziemlich eilig zu haben. Anders als üblich wartete er nicht, bis der Riesenalp den Flügel zum Hinuntersteigen ausbreitete, sondern sprang aus einer Höhe von
mehr als zwei Längen zu Boden und eilte, ohne Letivahr das Fluggeschirr abzunehmen und ohne ein Wort des Grußes an Chiriga vorbei zu der kleinen Tür, die in die Festungsstadt führte.
»Was ist denn mit Glamouron los?«, sandte Chiriga einen verwunderten Gedanken an Letivahr, der sich mit schweren Schritten zu seiner Schlafstatt begab. »Ich habe noch nie erlebt, dass er fortgeht, ohne dir das Geschirr abzunehmen.«
Der große Riesenalp wirkte erschöpft, und es dauerte eine Weile, ehe er auf die Frage antwortete.
»Das Geschirr kann warten. Es stört mich nicht«, murmelte er schließlich, machte es sich auf der nestähnlichen Schlafstatt bequem und sagte: »Wir waren oben im Grasland, um . . . «
»Im Grasland?«, fiel ihm Chiriga verwundert ins Wort. »Ich denke, ihr kommt aus
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