Die Schatten schlafen nur
Auskunft und zeigte dabei auf den angrenzenden Spielplatz. »Soweit ich weiß, haben das vor Jahren mal ein paar Eltern gebaut. Ist allerdings vor meiner Zeit gewesen.«
»Das war ein Projekt der Gemeinde«, sagte der Mann neben ihm. Es war der unbeholfene Redner von der Bürgerversammlung. »Wir haben das damals für die Jungschargruppen gebaut, in Eigenleistung.« Er schüttelte wehmütig den Kopf. »Muss das denn unbedingt abgerissen werden? Die Kinder lieben es. Das kann man ihnen doch nicht einfach wegnehmen.«
Der Bauleiter tippte sich an die Stirn und stapfte davon. »Leg los, Mario!«
Das Telefon klingelte gegen Mitternacht, als van Appeldorn gerade zusammen mit Ulli unter der Dusche war. Es fiel ihm nicht schwer, das Gebimmel zu ignorieren, schließlich hatte er heute keinen Dienst, aber dann bollerte Anna gegen die Badezimmertür. »Norbert! Das Präsidium!«
Er fluchte, schüttelte das Wasser aus den Haaren, schlang sich ein Handtuch um die Hüften und küsste Ulli noch einmal.
Sie lächelte verschmitzt. Er folgte ihrem Blick und fluchte wieder. Das Handtuch half nicht viel.
Anna stand im Flur und hielt ihm den Telefonhörer entgegen.
»Ein falsches Wort, Mädchen«, knurrte er.
Sie starrte an die Decke. »Ich hab keine Ahnung, was du meinst …«
»Wir haben hier einen Herrn Schlüter in der Leitung«, meinte der Diensthabende. »Der will unbedingt dich sprechen.«
Van Appeldorn fluchte zum dritten Mal und hörte sich dann Schlüters Geschichte an.
»Wir gehen gerade noch mal mit den Hunden und gucken auch eben am Bauplatz vorbei und da treiben sich doch tatsächlich ein paar Typen herum. Sind natürlich sofort abgehauen, als sie uns gesehen haben.«
»Haben Sie jemanden erkannt?«
»Ach was! Es ist doch stockfinster. Auf alle Fälle haben die an den Maschinen rumgemacht. Die Baggerschaufel hängt ganz schief und hier ist auch überall so ein stinkendes Zeug. Machen Sie schnell! Ich stehe hier mit meinem Handy und warte.«
»Was heißt, machen Sie schnell? Meinen Sie etwa, wegen so ein paar Vandalen rückt mitten in der Nacht die Kripo an?«
»Davon gehe ich doch nach den Vorkommnissen der letzten Tage aus, Herr Kommissar.«
Den Anwaltston hatte er also auch drauf.
»Ich schicke einen Streifenwagen.«
»Und was ist mit Spurensicherung?«, blaffte Schlüter.
»Die Beamten werden den Bereich absperren und morgen früh sehen wir dann weiter. Gute Nacht.«
Van Appeldorn legte auf. Natürlich musste van Gemmern sich die Sache ansehen. Er würde ihn mit Astrid hinschicken. Morgen früh kamen die Eroglus zur Vernehmung und diesmal musste man sie härter anfassen. Darauf verstand er sich besser, auch wenn Astrid das nicht gern hörte.
Wenn die Streife eine weiträumige Absperrung machte und regelmäßig Kontrolle fuhr, reichte das für heute Nacht.
Er fröstelte und wählte schnell die Nummer der Zentrale.
9
Über Nacht war das Thermometer um fast zehn Grad gefallen und Astrid hatte ihre lammfellgefütterte Jacke aus dem Schrank geholt. Mit dem schönen Altweibersommer war es endgültig vorbei, schwarze Wolkenberge türmten sich auf, und als sie am Bauplatz ankam, setzte ein Platzregen ein.
Ein paar Arbeiter sprinteten zum Bauwagen.
Durch den Wasserschleier sah sie van Gemmern hektisch mit einer Plane hantieren. Sie zog sich die Kapuze über den Kopf und stieg aus.
»Brauchst du Hilfe?«
Van Gemmern drückte ihr einen Zipfel der Plane in die Hand. »Fix«, sagte er. »Abdecken! Der Regen spült mir die ganzen Spuren weg.«
Seine tausendmal gewaschene Zimmermannshose und der ausgeleierte schwarze Pullover klebten ihm am Leib. Wie immer trug er keine Jacke. Er fror nie, obwohl er spindeldürr war.
»Was stinkt denn hier so?« Astrid rümpfte die Nase.
»Karbolineum. Das haben die hier literweise ausgekippt.« Endlich hatten sie die letzte Ecke der Folie fixiert.
»Der Kompressor ist hinüber«, fuhr van Gemmern fort. »Und am großen Bagger ist herumgeschraubt worden. Der kleinere scheint in Ordnung zu sein.«
»Brauchbare Spuren?«
»Reichlich.«
Langsam ließ der Regen nach. Astrid schob die Kapuze nach hinten und blickte sich um. Das nächste Haus war nur fünf Meter entfernt. Vielleicht hatten die Bewohner ja etwas gehört. Sie ging hinüber und klingelte, aber nichts rührte sich. Auch bei den beiden Nachbarhäusern öffnete keiner. Sie seufzte. Dann musste sie wohl oder übel bei Schlüters beginnen.
Inzwischen waren die Bauarbeiter wieder aufgetaucht. Das Holzhäuschen
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