Die Sonnwendherrin
glitten tiefer, und ich hieß sie mit einem Keuchen willkommen, das mich beinahe atemlos hinterließ. Ich wollte, dass er nie mehr aufhörte. Ich sehnte mich nach ihm wie ein Baby nach der Mutterbrust. Und dennoch wollte ich mehr!
Ich streckte die Hand aus und berührte ihn, fand, was ich begehrte. Als meine brennende Hand sich um ihn schloss, hörte ich diesmal ihn aufstöhnen, sah ihn erbeben, in einer Gefühlswallung, die meiner gleichkam. Ohne hinzusehen, |68| gebrauchte ich meine freie Hand und zog ihn auf mich, führte ihn dorthin, wo ich ihn haben wollte. Der erste Moment war so intensiv, dass ich mich fast darin verlor. Und dann wurden unsere Bewegungen, unsere Sinne, unsere Gedanken eins, während sich unsere Verzückung bis ins Unerträgliche und darüber hinaus steigerte, bis zur endgültigen Dunkelheit.
|69| Iwan
Der Wolf hob den Kopf, als er das Rascheln vernahm. Es wurde langsam Zeit. Der Mond stand hoch am Himmel und ließ seinen silbernen Schein über die Lichtung fließen. Es war beinahe taghell.
Dann war alles wieder still, und fast hätte der Wolf sich erneut zum Schlafen zusammengerollt, doch dann sah er Iwan.
Der Junge saß unter der alten Tanne auf der anderen Seite der Lichtung. Trotz der hellen Leinenkleidung war er im tiefen Schatten unter den herabhängenden Zweigen nahezu unsichtbar. Er saß reglos da, und seine Augen starrten in die Ferne, ohne etwas wahrzunehmen.
Der Wolf erhob sich und trottete zu Iwan hinüber. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass du kein Kikimora bist, Junge«, sagte er. »Willst du dem Alten hier nicht erzählen, was passiert ist?«
Iwan rollte die Augen und sah den Wolf an. Dann öffnete er seine verkrampfte Faust, damit der Wolf sehen konnte, was er darin verborgen hielt.
»Du hast es also!« Der Wolf nickte.
Das Netz schimmerte silbrig im Mondschein. Es war so fein gewebt, dass man es auf die Größe einer Haselnuss reduzieren konnte. In der Hand des Jungen wirkte es ätherisch, beinahe immateriell.
»Warum sitzt du hier herum, Junge?«, wollte der Wolf wissen. »Steh auf! Wir haben zu tun!«
Iwan schien ihn nicht zu hören.
»Was hat dir Leschy angetan?«, fragte der Wolf, dem plötzliche Sorge die Brust zuschnürte.
|70| »Er hat mir gezeigt, wo das Netz ist«, sagte Iwan nach einer Weile. »Aber ich musste es mir selbst holen.«
»Und?«
»Es befand sich in einem Baumloch auf einer Insel mitten im Moor.« Iwans Stimme klang müde und abwesend. »Eine Kikimora hütete es.«
»Habe ich dir nicht gesagt, dass die Kikimoras harmlos sind, wenn du auf Leschys Einladung ins Moor kommst?«
Schweigen. Dann: »Es war
...
ein kleines Mädchen.« Iwan schluckte. »Sie war ins Moor gegangen, um die Rätsel zu lösen, denn sie wollte sich von Leschy wünschen, ihre Mutter vor dem Tod zu retten. Sie war erst fünf. Sie sieht immer noch wie fünf aus.« Er schwieg erneut.
Der Wolf blickte den Jungen mit starren gelben Augen aus nächster Nähe an. »Also«, sagte er betont, »hat sich der alte Leschy entschlossen, deine Gefühle zu schonen. Er hat dir nicht viele von ihnen gezeigt, von diesen armen gequälten Seelen, die kamen, um mit Leschy über Dinge zu verhandeln, bei denen es um Leben und Tod ging, und die als seine hilflosen Spielzeuge endeten. Er hat dir nicht gezeigt, was nötig ist, um diesen Wahnsinn in ihre Augen zu treiben, um sie alles vergessen zu lassen, abgesehen von ihrem irren Gelächter. Er hat dir nicht gesagt, wie er sie zu Kikimoras macht – eine so grauenhafte Aufgabe, dass selbst die Unsterblichen nicht darüber sprechen. Nein, er wusste, wie leicht es ist, den Mut eines verweichlichten jungen Burschens wie dir zu brechen. Ein kleines Kind, und schon wirst du gefühlsduselig und gibst auf.« Er wandte Iwan den Rücken zu und ließ sich auf dem von Tannennadeln bedeckten Boden nieder. »Warum habe ich mich nur mit dir abgegeben?«
Eine Weile lang war kein Laut zu hören. Dann regte sich etwas.
»Ich gebe nicht auf«, sagte Iwan leise.
Der Wolf wartete.
|71| »Es ist nur so
...
falsch«, fuhr der Junge fort.
Der Wolf wandte den Kopf ein wenig, damit er den Jungen aus dem Augenwinkel beobachten konnte. »Nun«, bemerkte er, »niemand hat behauptet, es sei leicht.«
»Ich weiß.«
Der Wolf drehte sich ganz herum und sah dem Jungen in die Augen. Sie wirkten jetzt wieder lebendiger. Der Wolf sah, wie etwas von dem alten Iwan wieder in ihre blauen Tiefen zurückkehrte.
»Wir haben nicht viel Zeit, Junge«, sagte er. »Denk dran, wir
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