Die Sonnwendherrin
Augen in einem blassen Oval, in der Dunkelheit meines Zimmers kaum zu erkennen. Er beugte sich vor und küsste meine Augen, so dass ich sie schließen musste, doch als ich mit hungrigem Mund seine Lippen suchte, waren sie nicht mehr da.
Ich wollte mehr, wollte von ihm genommen werden, wie mein Vater seine Frauen nahm, wenn er seine wilde Leidenschaft nach jungen, hübschen Frauen befriedigte. Ich wusste, dass er es auch wollte, denn seine Hände bebten. Er verlor fast die Kontrolle und hielt mich in einer Umarmung, die nicht mehr nur mich erfüllen, sondern auch sein eigenes Verlangen stillen sollte. Und als mich seine Leidenschaft durchzuckte, als ich seine zitternden Muskeln, seine Männlichkeit an meinem Körper spürte, verlor ich mich, denn meine Lust entlud sich mit einer solchen Gewalt, dass ich einen endlosen Augenblick lang nicht mehr wusste, wer ich war.
Ich erinnere mich nicht mehr, was später kam und wie er mich schließlich verließ, betäubt, ausgebrannt und aller Gefühle beraubt außer meiner Hingabe an diesen Mann und an sein großes Ziel. Ich war Marja, Sonnwendherrin, Tochter von Kaschtschej dem Unsterblichen, dem besten Mann auf |190| der ganzen Welt. Mit diesem Gedanken sank ich in einen tiefen Schlaf
...
Der Traum ging weiter. Ich war zurück. Wieder schritt ich zum Opferteich, und wieder sah ich den dunklen Mann, wie er am Ufer saß. Aber diesmal erfüllte mich Freude bei diesem Anblick, und ich trat aus dem Schutz der Hecke und rief meinen Liebhaber.
Er wandte sich um.
Es war Kaschtschej.
Etwas in meinem Hinterkopf schrie schmerzerfüllt auf, doch ich beachtete es nicht. Ich konnte nur sein Gesicht sehen. Seine Lippen lächelten bei meinem Anblick, doch seine Augen blickten kalt. Aber ich wollte nur das Lächeln sehen. In der Glückseligkeit, die mich überwältigte, gab es keinen Platz für Kälte. Ich rannte ihm entgegen. Er sprang auf, nahm mich in seine starken Arme und tanzte mit mir über die gesamte Lichtung. Ich wollte mich an ihn klammern, doch etwas, das ich in der Hand hielt, hinderte mich. Ich suchte nach einem Platz, an dem ich es ablegen konnte, aber in diesem Augenblick drückte mich Kaschtschej mit solcher Leidenschaft, dass ich das lästige Objekt vergaß.
»Ich habe auf dich gewartet, meine Liebste«, flüsterte er.
Er legte mich sanft ins Gras und streckte sich neben mir aus. Mein Herz flatterte vor Seligkeit, während ich zusah, wie er mein Kleid löste und seine Hand darunterglitt, um meine schwellenden Brüste zu liebkosen.
Doch etwas in meinem Hinterkopf schrie warnend auf.
»Jemand könnte uns sehen«, flüsterte ich. »Lass uns heimgehen!«
Er beugte sich über mich, und diesmal lag ein Lächeln in seinen onyxfarbenen Augen. »Niemand kommt je in diesen Wald«, sagte er. »Außerdem kann ich nicht mehr warten! Ich will dich jetzt!«
|191| Er riss mir das Kleid vom Leib, und ich lag nackt unter dem Himmel.
Ich schloss die Augen und gab mich der Berührung seiner Hände hin. Still umgab uns der Wald, und der träge Fluss folgte seinem endlosen Lauf. Es gab nichts auf der Welt außer mir und meiner Leidenschaft.
Nichts anderes spielte mehr eine Rolle.
Der eigenartige ovale Gegenstand, den ich in meiner Hand gehalten hatte, entschlüpfte mir und rollte durch das hohe Gras zum Ufer. Ich hörte ein Platschen, als er in der bernsteinfarbenen Tiefe des Teiches verschwand. Ich wusste nicht, was es gewesen war.
Als ich die Augen öffnete, sah ich, dass Praskowja an meinem Bett stand. Es war noch sehr früh am Morgen, doch die ersten Sonnenstrahlen fielen durch das schmale Steinfenster in den Raum.
Der Tag der Sonnwende.
Der längste Tag des Jahres.
Ich sah, dass Praskowjas Hände zitterten, als sie mir den Tonbecher mit meinem Morgentrunk reichte. Ich setzte mich im Bett auf und schlürfte das heiße Kräutergetränk, wobei ich meine Leibdienerin neugierig musterte.
Ihr Gesicht war blass und die Augen rot gerändert. Hätte ich sie nicht so gut gekannt, dann hätte ich geglaubt, sie habe geweint.
»Praskowja?«, fragte ich und gab ihr den leeren Becher zurück.
»Ja, Herrin?«
»Geht es dir gut?«
»Ja, Herrin.«
Ich stand auf und zog mir das schwarze Seidenkleid über den Kopf.
»Du kannst mich nicht zum Narren halten«, sagte ich |192| und näherte mein Gesicht dem ihren. »Sag mir, was los ist!«
Zum ersten Mal, seit ich sie kannte, mied sie meinen Blick.
Ich hörte Flügelschläge hinter mir, und der Rabe flog durch das offene Fenster
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