Die Strasse ohne Ende
einer Woche bei Ihnen sein, ich lasse sie von der Universität Kairo kommen. Geldmittel stehen Ihnen unbeschränkt zur Verfügung. Sie können arbeiten, besser als in Europa und den USA – hinter unseren Forschungen steht der gesamte unschätzbare Reichtum Afrikas.« Dr. Djaballah erhob sich vom Brunnenrand.
Wir drückten uns die Hand wie zwei Freunde.
»Wann werden Sie beginnen?«
»Sobald ich im Hoggar bin.«
Amar Ben Belkacem nickte. »Wir werden in einer Stunde weiterziehen und die ganze Nacht durch reiten. In zwei Wochen hoffe ich im Wadi Indegan zu sein. Von dort aus werden wir das Hoggar kreuz und quer durchziehen. Unser Hauptlager wird am Berge Hdjerin sein.«
»Sehr gut. Ich werde ab und zu selbst die Arbeiten besichtigen.«
Das war vor einer Stunde.
Nun werden die Kamele beladen, die Esel stehen schon bereit, die letzten Zelte werden eingerissen. Noch einmal füllen die Araber die Ziegenbeutel mit dem sandigen Wasser nach; die rostige Winde am Brunnen knirscht fürchterlich. Ich schaue in die Ferne, nach Bir-Adjiba, aber die Jeeps sind nicht zu sehen, sie sind vielleicht zum Fort zurück, um die Ablösung vorzuschicken. Ich denke einen Augenblick an den Leutnant Grandtours und seinen Kampf mit Amar Ben Belkacem. Er allein ist meine große Hoffnung, denn der Haß wird ihn auch bis zum Hoggar treiben, und mit ihm wird meine Freiheit kommen.
Ich lasse diese Blätter hier am Brunnen zurück; am Rand lege ich einen Stein darauf und bestreue sie mit Sand, damit sie Amar Ben Belkacem beim Aufbruch nicht leuchten sieht.
Der Wind wird ihn dann fortblasen, und der erste, der an den Brunnen kommt, wird unter dem Stein die Blätter sehen. Ihr, die ihr diese Zeilen lest, hört meinen Ruf: »Rettet mich! Scheut nicht zurück vor der Wüste, sondern sucht mich! Ich werde warten, ich werde euch entgegenkommen, so gut ich kann. Und solange mich diese schreckliche Wüste leben läßt.«
Als Hilde Sievert von Kaufholdt & Meyers wegging, hatte sie nicht umsonst gewartet. Sie hatte nicht zweihundert Mark bekommen, sondern sogar dreihundertfünfzig, denn Herr Kaufholdt zeigte das größte Verständnis für ihre Lage.
»Hoffentlich finden Sie Ihren Bruder«, sagte er ihr zum Abschied. »Und wegen der Rückzahlung – machen Sie sich darüber keine Gedanken. Nehmen Sie alle Kraft zusammen. Freude und Leid, Hoffnung und Enttäuschung, nichts wird Ihnen erspart bleiben. Und schreiben Sie uns einmal, wie es Ihnen bei den Negerlein geht, nicht wahr?« Er hatte ihr dann die Hand gedrückt und sie bis vor die Tür begleitet.
Nun stand sie wieder in dem kleinen Büro der ›Transatlantik‹ dem Baron von Pertussi gegenüber, nicht mehr so scheu wie beim ersten Mal, aber ein wenig zitternd vor Erwartung.
Pertussi wühlte in einem Stapel von Papieren, ehe er aufblickte und die Luft hörbar durch die Nase einzog. Seine Augen blickten Hilde ausdruckslos an – wie ein Fisch, mußte sie denken.
»Es ist alles geregelt«, sagte Pertussi. »Vom Konsulat werden die Sammelpässe morgen ankommen, in Algier wird die Truppe von dem dortigen Manager übernommen. Voraussichtlich werden Sie mit dem Schiff ›Esmera‹ ab Bremen nach Algier fahren.« Er blätterte in den Papieren und schaute nach: »Ja. In einer Woche. Sie werden von einem Volkswagenbus abgeholt und nach Bremen gebracht. Vielleicht werden Sie auch nach dem Westen geflogen – das ist noch nicht sicher. Auf jeden Fall sind Sie engagiert.«
Den Dank Hildes wehrte er weltmännisch überlegen ab und klopfte ihr an der Tür auf die Schulter. »Ich wünsche Ihnen viel Glück, Fräulein Hilde«, sagte er leise. »Wenn Sie mir danken wollen, dann nur, wenn Sie wieder in Berlin sind. Hoffentlich sehen wir uns noch einmal«, fügte er vorsichtig hinzu. Er dachte dabei an das Ende seiner Firma am gleichen Tag, an dem die neue Truppe Berlin verließ, und an die Verlegung nach Süddeutschland, das ein neues und völlig ahnungsloses Wirkungsgebiet war. Er dachte wohl auch an die fünfundsechzig Mädchen, die in allen Ländern jenseits des Ozeans in verfallenen Hütten oder großen, berüchtigten steinernen Häusern lebten und den Namen Pertussi mit dem Gedanken der schrecklichsten Rache aussprachen. Vom Fenster aus, hinter der Gardine im dunklen Zimmer stehend, sah er Hilde nach, wie sie über die Straße ging und sich der Menschenschlange anschloß, die auf den Omnibus wartete. Er sah ihre schlanke, biegsame Gestalt im ungewissen Licht der Lichtreklamen, ihre geraden, langen Beine in
Weitere Kostenlose Bücher