Die Strudlhofstiege
kann auch so unbedingt nicht gerechnet werden …«
Eulenfeld wiederholte malitiös: »Sonntag, den 30. August, nachmittag 15 Uhr, Erkundung des Geländes, gleichzeitig Putz- und Flickstunde, 17 Uhr, Meldung hier zum Telephondienst.« »Mit der Blödheit dieses René darf nicht unbedingt gerechnet werden«, sagte Editha obstinat, »jedoch auch nicht unbedingt mit seiner Redseligkeit oder, wie du es sagst, ›daß da immer gleich der ganze Laden auf einen zu kollert‹. Verkehrt er eigentlich direkt mit Melzer?«
»Bisher war's nicht so«, meinte Eulenfeld. »Aber es scheint sich da irgendein Connexus angebahnt zu haben. Treffe die zwei miteinander. Letzten Montag zum Beispiel wurden sie von Mimichen auf der Strudlhofstiege attrappiert. Und in lebhaftestem Gespräche.« »Und zwar im Gespräche über mich«, sagte Mimi.
»Auf der Strudlhofstiege!« rief Editha mit offenem Erstaunen.
»Und im Gespräche über – dich?! Was haben sie da geredet?«
»Ich habe nur den René reden gehört …«
»Versteht sich«, sagte der Rittmeister.
»Und was hat er gesagt?« fragte Editha mit Spannung.
»Er hat dem Major auseinandergesetzt, daß die Frauen kein Gedächtnis haben und eigentlich auch kein Gesicht, wenn ich's richtig verstanden habe. Er hat meinen Namen genannt, den Namen Editha also. Und als er mich erblickte, hat er weitergeredet und zwar direkt zu mir, er hat mich geradezu angesprochen. Er stand unten, ich oben. Es war recht komisch.«
»Und was hat er zu dir gesagt?«
»Irgendetwas Schwärmerisches. Ich könnt' mir's nicht merken.«
»Schwärmerisches, ja, hm, meinetwegen«, sprach Editha vor sich hin. »Nun, das mit dem Gedächtnis: hier wird wohl irgendein Grund und Anlaß vorgelegen haben, vorausgelegen haben, meine ich.«
Sie brach wieder ab, und sprang jetzt zum Thema zurück.
»Dem Stangeler muß man von vornherein auf jeden Fall bei Melzer das Wasser abgraben, so daß der Major ihm nicht glaubt, wenn René ihm irgend so etwas Abenteuerliches erzählt, oder schon erzählt hat …«
»Melzer ist nicht in Wien«, sagte der Rittmeister.
»Ach ja, richtig. Aber er kommt morgen abends zurück. Wie also macht man den Stangeler bei dem Major unglaubwürdig, wenn ich so sagen soll?«
»Das besorgt René wahrscheinlich schon selbst«, bemerkte der Rittmeister. »Im übrigen kann's kaum schwer halten. Wenn René Stangeler hier bei dir zweiundzwanzig bis fünfunddreißig Tassen Tee trinkt – denn das tut er – so brauchst du ihm lediglich zwischendurch irgendwas eingeben, was er gerne hört und noch lieber weiter erzählt. Sag', du hättest voriges Jahr in Lausanne einen Herrn getroffen, der in Zürich in einer Zeitung einen Aufsatz von ihm über irgendwelche olle Kamellen gelesen habe – was das gewesen sein kann, will ich mir noch überlegen, sag' dir's noch genau, es sind nämlich Sachen von ihm in Zürich abgedruckt worden – na, und der Betreffende habe sich da sehr anerkennend geäußert, et cetera, et cetera. Das erzählt er dann dem Melzer. Er wird dabei aller Wahrscheinlichkeit nach auch erwähnen, bei welcher Gelegenheit du ihm die Sache berichtet habest, nämlich, daß er an dem und dem Tage hier bei dir heroben zum Tee war. Wir machen's dann so, daß Mimichen und ich derweil mit Melzer beisammen sind, bei ihm, oder bei mir, oder spazierengehend, wenn seine Amts-Stunden herum sind, um viere oder fünfe. Will mich eigens zu dem Zwecke freimachen. Na, denn steht er gut da mit seiner Erzählung bei Melzer. Und wie ich den kenne, den vorsichtigen Häuter, sagt der rein gar nischt. Sondern denkt sich sein Teil; wird bestimmt nicht widersprechen und einwenden: ›Das kann nicht stimmen, an dem und dem Nachmittage war ich mit dem Rittmeister und Frau Schlinger spazieren.‹ Höchstens dich, beziehungsweise Mimi, je nach Gelegenheit, wird er einmal befragen: und da weeßt de denn von garnischt, nich von Zürich, nich von Lausanne, von keinem Herrn und keiner Zeitung und auch davon nischt, daß Stangeler bei dir Tee getrunken hat.«
»Melzer ist so vorsichtig? So zurückhaltend?«
»Ist's. War vielleicht nicht immer so. Geworden. Scheint irgendwann dahinter gekommen zu sein, daß bei ihm im Oberstübchen das Licht nicht gerade sehr hell brennt. Wenn das einer weiß – 's ist 'n einschneidender Akt, schätze ich – so kommt 's eigentlich schon wieder der Intelligenz gleich, und so einer verhält sich praktisch wie ein sehr Intelligenter, dem er meines Erachtens auch gleichzuhalten ist. Großes
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