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Die Stunde der Hexen - Midnight Hour 4 - Roman

Titel: Die Stunde der Hexen - Midnight Hour 4 - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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flüsterte ich. Wir drei hatten uns aufgerichtet, hielten unsere Gesichter in die Luft, witterten - drei Wölfe in Menschengestalt, wach und auf der Hut, alle Sinne im Einsatz.
    Shaun sagte: »Sie kommt im Gegenwind. Wir sollen wissen, dass sie hier ist.«
    Sie. Meg, dachte ich panisch. Ich holte tief Luft und erhaschte den Geruch, den Shaun gewittert hatte. Menschlich und wild - Lykanthrop, ja. Und weiblich. Doch es war nicht Meg. Meg hätte ich wiedererkannt. Ihr Geruch suchte mich in meinen Alpträumen heim.
    Meg würde uns nicht warnen. Sie würde über uns herfallen, und zwar nicht allein. Das hier war nur eine Person, und Shaun hatte Recht: Sie ließ uns schon weit im Vorhinein wissen, dass sie sich uns näherte. Wir warteten, reglos und still, bis sie aus den Bäumen trat. Sie war von durchschnittlicher Größe und Statur, allerdings hatte sie scharf geschnittene Gesichtszüge, drahtige Gliedmaßen. Ihre kastanienbraunen Haare waren kurz und bedeckten noch nicht einmal ihre Ohren. Sie trug ein Trägertop und Shorts, und sie hätte bloß eine morgendliche
Spaziergängerin sein können, wenn da nicht der Blick in ihren Augen gewesen wäre: zusammengekniffen, nervös. Ihre Kiefermuskeln waren angespannt, die Schultern steif, ein bisschen wie aufgestellte Rückenhaare.
    »Becky«, sagte ich.
    Auch sie gehörte zu Carls Rudel, war zwei Jahre älter als ich, sowohl was ihr biologisches Alter als auch ihre Zeit als Lykanthrop betraf. Sie war tough und hatte eine Position zwischen Mitte und oberem Ende der Rudelhierarchie inne. Sie gehörte zu denjenigen, die in diesem Leben gediehen. Mein erster Gedanke: Ich hatte ihn unterschätzt. Carl hatte etwas in der Richtung erwartet und eine Patrouille geschickt. Er war auf uns vorbereitet, und wir waren erwischt worden. Wir hatten verloren. Hier draußen, nackt, zusammen mit zwei Männern, wurde ich das Gefühl nicht los, bei etwas Verbotenem erwischt worden zu sein. Das ließ mich erröten, was mich ärgerte.
    Allerdings war sie diejenige gewesen, die versucht hatte, Jenny zu helfen. Was machte sie jetzt hier?
    »Was wirst du Carl sagen?«, fragte ich. »Wirst du zurückrennen und ihm erzählen, dass wir genau hier sind, leichte Beute? Hat er dich deswegen hergeschickt?«
    Sie schüttelte den Kopf, und ihre Stimme klang leise. »Er hat mich nicht geschickt. Ich bin hier spazieren gewesen. Um nachzudenken. Ich mache das manchmal. Dann habe ich euch gerochen und bin euch hierher gefolgt.«
    Ich war verblüfft. »Carl weiß nicht, dass wir hier sind?«
    »Oh, das wird er aber. Ihr seid letzte Nacht fleißig gewesen.« Ein Lächeln huschte über ihre Züge, und sie sah
weg. Unter Wölfen war das eine Geste, die Frieden signalisierte, Unterwürfigkeit. Das machte mir Mut.
    »Du wirst es ihm verraten.«
    »Nein«, sagte sie. Sie leckte sich die Lippen. Mit gesenktem Blick fügte sie hinzu: »Ich möchte mich euch anschließen. Nehmt mich mit.«

Elf
    Wir hatten unsere Rivalen aufgestachelt; dahinter steckte die clevere Idee, sie aus ihrem Versteck zu locken. Sie würden wütend, unvorbereitet sein und - so hoffte ich jedenfalls - dumm reagieren. Auf dem Papier sah das Ganze schön aus. Jedenfalls hätte es das, wenn ich etwas davon niedergeschrieben hätte.
    In der Zwischenzeit frühstückten wir. Jetzt hatte ich ein Viererrudel. Wie war das passiert?
    Bei einer Tasse Kaffee erzählte mir Shaun, was sich im Rudel ereignet hatte. »Erinnerst du dich noch an Gabe?«
    »Der Fahrradkurier aus Boulder, stimmt’s? Über dreißig. Marathonläufer.«
    »Richtig. Er ist der Erste gewesen. Nach T.J. ist Carl ausgeflippt. Dachte ständig, andere würden es auch probieren. Dass wir alle seine Autorität anzweifelten. Er musste jeden niederknüppeln, um sich zu beweisen. Die meisten von uns haben sich zur Seite gerollt und es hingenommen. Du weißt ja, wie es ist. Aber Gabe … Gabe dachte, er könne mit Carl reden. Ihn zur Vernunft bringen. An seine menschliche Seite appellieren. Aber Carl …« Shaun zuckte mit den Schultern und sah weg, um sich wieder zu sammeln. »Carl ist zu weit gegangen. Gabe hat sich deine Sendung angehört, weißt du. Hat es dir nicht
erzählt. Hat sich nicht getraut, es Carl zu sagen. Aber ihm hat wirklich gefallen, was du von dir gegeben hast. Über unser Menschsein. Ich glaube … er dachte wohl, er müsste es versuchen.«
    Großartig. Jetzt hatte ich ihn auch noch auf dem Gewissen. Wieder einmal stellte sich mir die Frage, ob ich zu all dem bereit war.
    »Und es

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