Die Tätowierung
und Sara Bolin ließ sie in das schuhkartongroße Reihenhaus. Sie hielt die A r m e verschränkt und an sich gepresst, als würde sie frieren. In dem schwarzen Baumwollpullover und den schwarzen Hosen wirkte sie se h r zerbrec h lich.
»Kristian schläft, und Johannes ist zum Spielen bei den Nachbarkindern. Er ist erst drei und versteht nicht, was passiert ist. Manch m al fragt er nach Papa, aber er i s t es g ewohnt, dass Papa viel arbeitet und oft nicht zu Hause ist.«
Saras Stim m e brach, Tränen glänzten in ihren dunklen Augen. Rasch wandte sie ihr Gesicht ab und sagte dann m it traurig e r Stim m e: »Bitte, t r eten S i e doch e i n . «
Sie deutete auf eine offen stehen d e Glastür am Ende der Diele. Die Bea m ten traten in das kleine W ohn z im m er und nah m en in der bequemen Couchgarnit u r aus Leder Platz. Das Leder war hellbraun und der Teppich unter dem gläsernen Couchtisch hellbe i ge. Alles war staubfrei und fleckenlos. Irene hatte d en Eindruc k , dass sich d i e beiden kleinen Jungen in diesem Raum nicht aufhalten durften.
»Viell e icht sollte ich ja Kaffee aufsetze n ?«, sagte Sara Bolin.
Ehe Irene noch einwilli g en kon n te, er k l ärte Hannu bereits: »Nein, danke. Wir bleiben nicht lange.«
Sara bestand nicht darauf, sondern ließ sich gegenüber von Irene und Hannu auf das Sofa sinken. Sie hatte die Hände auf dem Schoß gefaltet, und Irene sah, wie ihre Knöchel weiß wurden.
»Haben Sie ihn erwischt ? «, flüsterte sie kaum hörbar. Ruhig fragte Hannu: »Wen ? «
Sie zuckte zusam m en und warf Hannu einen fast entrüsteten Blick zu.
»Den, der … das … mit Erik ge m a cht hat.«
»Nein. W i r verfolgen verschiedene Spuren. Haben Sie vielleicht je m anden i m Verdacht ? «, fragte Irene.
Sara sah Irene m it ihren schönen Augen an und schüttelte traurig den K opf.
»Nein. Ich verstehe nicht, wie je m and das tun konnte … Wa r u m ? «
»Erik wurde nie bedroht? Oder sa gt e er vielleicht m al, dass er sich bedroht fühlte ? «
»Nein. Nie! Er war der liebste Mensch der Welt. Alle mochten ihn«, sagte Sara entschieden.
Irene schaute sie an und nickte nachdenklich.
»Natürlich. Erik sagte zu m ir, dass Sie wussten, dass er bisexuell ist, als Sie heirateten. Sti mm t das ? «
Die zerbrechliche, schwarz gekleidete Gestalt sank vollkom m en in sich zusammen. Nach ein e r W eile richt e te sich Sara jedoch wieder auf und sagte trotzig: »Ja. Ich wusste davon. Aber er liebte nur m i ch. Keine F rau kann sich einen besseren Mann w ünschen als Erik. W i eso fragen Sie?«
»Gewisse Anzeichen deuten auf s e x uelle Akti v itäten v o r dem Mord hin«, sagte Irene.
Es widerstr e bte ihr, der trauernden W itwe ausgerechnet das m itteil e n zu m üssen, aber Frau Pro f essor Stridner h atte auf der Leiche von Erik Bolin Sper m a g e funden. Merkwürdigerweise im Haar und nicht im Enddarm oder irgendwo sonst. Die Untersuchung war noch nicht abgeschlossen, und deswegen wussten sie auch nicht, von w e m d i e Sa m e n f l üss i gke i t s t a m m t e.
Falls sie nicht von Erik Bolin war, würde die Spurensicherung die DNA-An al yse n a ch Kopenhagen schicken, um sie m it den Sper m a flecken zu vergleichen, die unter E m ils Bett gefunden worden waren.
Saras Stimme klang an ge stren g t, a l s s i e antwo r t e te: » W ir liebten uns sehr, von Anfang an. Es war Liebe auf den ersten Blic k ! Natürlich war erst a ll e s sehr l e ide n scha f tlich, aber wir fühlten, dass wir zusam m engehörten. Ehe wir zusam m enzogen, erzä h lte er m i r, er sei bisexuell. Ich kann nicht behaupten, dass er m i ch reingelegt hätte. Er war ganz offen. Aber ich hatte keine Wahl, da ich so in ihn verliebt war. Entweder ich fand m i ch da m it ab, oder ich verzichtete auf ihn. Letzteres war irgendwie nie eine Altern a tive . «
»Sie waren also bereit, ihn m it einem Mann zu teile n ? « , wollte Irene wissen.
Sara wickelte eine Haarsträhne um den Finger. Es dauerte eine W eile, bis sie antwo r t e te: »Nein. I ch wollte ihn nicht teilen. Ich habe geglau b t , d ass seine Liebe zu m i r so stark sein würde, dass er darüber hinwegkom m en würde …«
Sie verstummte und m achte geistesabwesend einen Knoten in ihre Haare. Um sie d azu zu b ringen fortzufahren, sagte Irene: »Off e nbar sind Sie nicht darüber hinweggekommen.«
Sara zuc k te zusam m en, als hätte si e je m and mit einer Nadel gestochen. Resigniert e r widerte sie: »Nein. Als ich m it Johannes schwanger war, ging m i r
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