Die Tochter des Teufels
wäre es schon zu spät gewesen. Ihr Dr. Rampal ist ein Rindvieh.« Der Mann im Dunkeln machte eine kleine Pause. »Es freut mich«, sagte er dann, »daß ich Ihnen auch dieses Geschenk – außer meiner Liebe – machen kann: Ich habe Ihre Helena gerettet. Was ich verlange, ist keine Dankbarkeit … ich will Ihre Liebe, Nadja!«
»Wie … wie sieht Helena aus?« fragte Nadja stockend.
»Treten Sie zur Lampe hin. Dort liegen auf einem Tischchen Fotos. Gestern aufgenommen. Ein wenig blaß und spitz sieht sie noch aus, die Kleine, aber sie lacht schon wieder … Sehen Sie?«
Mit zitternden Händen hielt Nadja die drei Fotos ins Licht, die auf dem Tisch lagen.
Helena in einem weißen Bett. Das schmale Gesichtchen in den Kissen, aber mit großen, wachen Augen.
Helena, im Bett sitzend, gestützt durch einen Kissenberg. Sie lacht und hebt eine Hand.
Helena mit einem großen Teddybär im Arm.
Die Bilder fielen aus Nadjas Hand und flatterten zu Boden. Lautloses Schluchzen schüttelte ihren Körper.
»Was verlangen Sie?« fragte sie endlich.
Und die Antwort kam klar und kalt aus der Dunkelheit:
»Sie, Nadja!«
»Wissen Sie, wie gemein das ist?« Sie lehnte sich gegen die Seidentapete und schlug die Hände vor das Gesicht. »Sie machen mich zu einer Dirne! Sie zwingen mich, eine Ware zu sein. Mein Körper gegen mein Kind …«
»Es bleibt mir keine Wahl, Nadja.«
»Ich weiß noch nicht einmal, wer Sie sind …«
»Das werden Sie auch nie erfahren. Es gab einmal die Gelegenheit, daß wir ein richtiges Liebespaar werden konnten. Diese Stunde wurde verpaßt. Nun müssen wir uns lieben im Dunkel der Nacht. Es ist vollkommen ausgeschlossen, daß Sie erfahren, wer ich bin. Wir werden uns verlassen und uns wiederfinden, ohne das Gesicht des anderen zu sehen. Es ist wie in einem Gruselfilm … aber ich kann auf Ihre Liebe nicht verzichten.« Der Mann im Dunkeln bewegte sich. Nadja sah einen Schatten die Wand entlanggleiten. Sie hob die Hände und schrie auf.
»Sie sind ja wahnsinnig!« schrie sie. »Wahnsinnig sind Sie!«
»Ich will großzügig sein.« Die Stimme des Mannes schwankte etwas. Der Schein der Stehlampe fiel auf Nadja und zeigte ihren herrlichen Körper in dem engen Kleid. »Für eine Nacht gebe ich Ihnen Helena wieder. Sie können nicht nachempfinden, wie es in einem Mann aussieht, der nichts anderes mehr denkt, als Sie zu besitzen.«
Über Nadjas Rücken kroch ein eiskaltes Grauen. Ekel würgte sie. Seit Nikolais Tod hatte sie nicht mehr geliebt, und es war ihr bisher unvorstellbar gewesen, einen anderen Mann an ihrer Seite zu sehen.
Noch einmal bäumte sie sich gegen ihr Schicksal auf. »Sie belügen mich!« sagte sie laut. »Helena ist gar nicht bei Ihnen.«
»Nehmen Sie den Hörer ab, der hinter der Lampe an der Wand hängt«, sagte der Mann. »Er verbindet Sie direkt mit dem Zimmer …«
Mit einem leisen Schrei riß Nadja den Hörer an sich. »Helena …«, rief sie. »Helenuschka … Hörst du mich? Bist du da? Sag doch etwas …«
Und aus dem Hörer klang ein Jubelruf und die helle Stimme Helenas: »Mamuschka! Du bist hier? Wie schön. Wie schön! Du, ich habe gar kein Fieber mehr, und auch der Bauch tut nicht mehr weh …«
Der Hörer fiel aus Nadjas Hand und schlug dumpf gegen die Wand. Sie warf den Kopf zurück, schloß die Augen und breitete die Arme aus.
»Nehmen Sie sich, was Sie wollen, Sie Ungeheuer!« sagte sie. »Wenn es einen Gott gibt, wird er Sie dafür bestrafen …«
Der Mann im Dunkeln öffnete die Tür. »Eine Zofe wird Sie gleich betreuen. Sie sind die Herrin des Hauses, Madame! Ich glaube, Sie werden sogar glücklich sein, wenn wir uns erst näher kennen …«
Die Tür klappte zu, und wenig später flammte der kristallene Leuchter auf. Blendende Helle ergoß sich über Nadja, sie schloß die Augen und sah sich mit zusammengekniffenen Lidern um.
Ein wunderschönes Zimmer. Wertvolle Gemälde, dicke Teppiche auf dem Parkett. Als es klopfte, zuckte sie zusammen. Mit zögernder Stimme sagte sie: »Herein.«
Ein Mädchen in Zofenkleidung kam ins Zimmer und machte einen Knicks. »Darf ich Madame ins Schlafzimmer führen?« fragte sie und hielt die Tür offen. »Das Bad ist schon fertig …«
Taumelnd machte Nadja die ersten Schritte. Verzeih mir, Nikolai, dachte sie dabei. Verzeih mir. Ich verkaufe mich doch nur wegen Helena …
Wenn man Nadja Gurjewa später auf diese Nacht ansprach, starrte sie wie abwesend vor sich hin und hob die Schultern. Alles war so unwirklich
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