Die Tortenbäckerin
aber W⦠Weihnachten heim!«
Greta bemerkte seine roten Ohren, aber sein spitz gewordenes Kinn war trotzig vorgereckt, und der eben noch so matte Blick wurde zornig.
»Aha!« Mathilde sah aus, als glaubte sie dem Jungen kein Wort, aber zu Gretas Ãberraschung lieà sie von dem Thema ab.
»Hier, trink du die Milch. Meine Nichte sieht nicht besonders hungrig aus.«
Das lieà sich Oliver nicht zweimal sagen, und er stürzte sich geradezu auf den Milchtopf.
Mathilde tauschte einen Blick mit Greta, dann wandte sie sich wieder an den Jungen. »Sag deinem groÃen Freund Siggo, wir werden morgen früh um Punkt acht Uhr bei ihm sein.«
Als Oliver fort war, meinte sie zu ihrer Nichte nur: »Gut Ding will Weile haben. Wenn ich den Lütten zu sehrängstige, verschwindet er am Ende auf Nimmerwiedersehen.«
Sie hatten dann noch darüber gesprochen, was Siggo wohl im Sinn haben konnte, aber keine von beiden war darauf gekommen.
Insgeheim hatte Greta selbst einen Einfall, der ihr jedoch so vermessen schien, dass sie es nicht wagte, ihn laut auszusprechen. Auch ihre Tante schien an etwas ganz Bestimmtes zu denken, stellte Greta mit einem erneuten Seitenblick jetzt fest. Sie hatten den Friedhof hinter sich gelassen und steuerten nun auf das groÃe Stallgebäude zu, über dem auf verwitterten Lettern stand: »Fuhrunternehmen Erik Freesen & Sohn«.
Mathilde schnaufte kurzatmig, stieà kleine weiÃe Wölkchen aus und hatte die Stirn gerunzelt. Am Tor erwartete sie ein ungeduldiger Oliver. »Sie sollen gleich in die Wohnung hochgehen!«, rief er ihnen entgegen.
Oben öffnete ihnen Gerlinde Freesen die Tür. Sie begrüÃte Greta mit einer kurzen Umarmung und nickte Mathilde freundlich zu. »Mein Sohn erwartet Sie schon.«
»Woher kennt ihr euch so gut?«, raunte Mathilde ihrer Nichte zu. Die Umarmung der beiden Frauen war ihr nicht entgangen.
Greta schenkte ihr nur ein vages Lächeln. Dies war nicht der richtige Moment, um von ihrer privaten Conditorenlehre zu sprechen. Mathilde hätte sie vermutlich wieder einmal für verrückt erklärt. Die Tante hatte nun mal keinerlei Verständnis für Gretas Wunsch, sich fortzubilden zu einer Zeit, in der nichts anderes zählen durfte als die Suche nach einer neuen Einkommensquelle.
Tante und Nichte wurden in die gute Stube geführt, woein alter Mann reglos am Fenster saÃ. Erst bei näherem Hinsehen erkannte Greta, dass es kein Greis war, doch aus dem leeren Blick schien seit langem alles Leben gewichen zu sein.
Dann erhob sich Siggo, und ein Strahl der Wintersonne brachte sein blondes Haar zum Leuchten. Für einen Moment vergaà Greta all ihre Sorgen und lächelte ihn an. Erst ein schmerzhafter Puff ihrer Tante erinnerte sie an den Grund ihres Hierseins.
»Bitte setzen Sie sich«, sagte Siggo.
Zehn Minuten später wurde Greta klar, dass Siggo, Mathilde und sie selbst unabhängig voneinander auf denselben Gedanken gekommen waren. Und dieser Gedanke war ebenso einfach wie revolutionär: In jedem herrschaftlichen Haus kam es vor, dass mal eine Köchin ausfiel oder eine zusätzlich Kraft für besondere Anlässe benötigt wurde. So war es bei Wilhelm Podolski gewesen und auch bei Baronin von Spiegel. Beide Male hatte Siggo davon gewusst und Greta vermitteln können. Er kannte jedoch nicht genug Leute persönlich, um Greta immer wieder einen neuen Hinweis zu geben. Warum also nicht den Spieà umdrehen und etwas Neues beginnen? Warum nicht eine Partnerschaft gründen?
»Daran habe ich auch schon gedacht!«, rief Mathilde aus. Siggo nickte ihr zu, wandte sich dann an Greta und bewies sogleich, dass sein Plan schon ausgereift war. »Ich sorge dafür, dass du in den höheren Kreisen bekannt wirst, und kutschiere dich zur Arbeit, wo es nötig ist«, schlug er vor. Und er hatte bereits einen Handzettel entworfen. »Greta Voss«, stand darauf, »Ihre Köchin für alle Notlagen.« Ein befreundeter Drucker war bereit, diesen Zettelnoch am selben Tag zu vervielfältigen, und Siggo würde bei jeder seiner Fahrten ein paar davon verteilen. »Reklame ist die Zukunft für jedes Geschäft«, meinte er. »Ich bin sicher, wir werden Erfolg haben.«
»Junger Mann, Sie sind ein Genie«, sagte Mathilde und klatschte vor Begeisterung in die Hände.
Greta jedoch war plötzlich voller Zweifel. Ihr war bewusst, dass sie völlig
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