Die tote Schwester - Kriminalroman
weibliche Geburt in Büsdorf 1942, doch es stellte sich heraus, dass das Mädchen vier Wochen nach der Geburt offiziell verstorben war. Damit war diese mögliche Identität wertlos geworden.
Es sei denn …
Nein, 1942 war Unsinn.
»Und wenn ich noch andere Orte durchschauen würde?«, fragte Zbigniew.
Die Reise nach Bergheim konnte nicht umsonst gewesen sein. Es musste doch möglich sein, ein Ergebnis zu erzwingen.
»Wir haben hier alles, was heute zum Kreis Bergheim gehört. Sie hatten jetzt Hüchelhoven, das ist ein kleiner Teil; wenn Sie wollen, können wir natürlich auch die anderen Sachen durchschauen. Das ist eine Frage, wie lange Sie Zeit haben, junger Mann.«
Zbigniew nickte dankbar, hasste es aber, wenn man ihn »junger Mann« nannte.
»Ansonsten könnte ich Ihnen natürlich anbieten, dass wir die Geburten raussuchen und dann an Ihre Dienststelle faxen.«
Die Dienststelle. Hoffentlich rief die Dame nicht dort an. Doch die Dame war noch nicht zu Ende.
»Aber für einen ganzen Jahrgang, ohne Namen, ohne alles, das ist schon ziemlich unkonkret und umfangreich. Haben Sie kein genaues Geburtsdatum? Und außerdem, wenn Sie den Ort überhaupt nicht wissen … wieso sollte es dann hier gelagert sein? Jedes Standesamt führt sein eigenes Geburtsregister. Pulheim, Frechen, Timbuktu. Warum suchen Sie, was suchen Sie genau? Vielleicht kann ich Ihnen ja helfen, wenn Sie mir mehr darüber erzählen.«
Zbigniew stand da und kam sich völlig verloren vor.
Die Dame, so orangefarben ihre Haare auch waren, hatte natürlich völlig recht.
»Ich melde mich noch mal, wenn ich mehr Informationen habe. Erst mal recht herzlichen Dank«, sagte er schließlich.
Er setzte sich auf eine Bank in der Bergheimer Fußgängerzone. Die Frühlingssonne stach ihm ins Gesicht.
Das grelle Licht tat ihm gut, das spürte er.
Aber er war keinen Schritt weiter.
Er würde auch nicht weiterkommen.
Er wusste noch nicht einmal, wann das Mädchen genau geboren war. Samuel hatte von Büsdorf gesprochen, aber dort gab es kein Mädchen, das infrage kam. Vermutlich hatten die Suchdienste damals dasselbe festgestellt.
Eine Sackgasse.
Welcher war der Hof, auf den Eva Weissberg gebracht worden war? Niemand außer Samuel Weissberg konnte es ihm sagen.
Vielleicht war genau dies der Fehler, die falsche Prämisse? Vielleicht war Büsdorf die falsche Information, die immer in die Sackgasse geführt hatte?
Kein Wunder, dass man damals nichts gefunden hatte, wenn gleich am Anfang Endstation war.
War es eigentlich normal, dass die Kinder damals auf den Höfen, nicht in Krankenhäusern geboren wurden? Zbigniew hatte vergessen, die Dame danach zu fragen. Gab es hier ein Geburtskrankenhaus? Hatte es damals eines gegeben?
Er wusste nichts.
Seine Mailbox zeigte keine Anrufe an.
Er rief noch einmal Samuel Weissberg an.
Vergeblich. Er wusste nichts, und der einzige Mensch, der ihm Informationen geben könnte, war verschollen.
Heinrich Weissberg.
Zweifel.
Weissberg, auf dem Weg nach Deutschland?
Saß auch Delia Johannsen schon im Flugzeug?
Sie war verrückt.
Alle waren verrückt, auch er selbst.
Bereits 1960 hatte Samuel Weissberg die Spur seiner Schwester nicht gefunden. War auch er im Standesamt von Bergheim, damals Hüchelhoven, gewesen? Hatte er bereits die Geburtsurkunden des Jahrgangs 1943 in der Hand gehalten? Die Geburtsurkunde von … Brigitte Dithard?
Eva war kurz nach ihrer Geburt, kurz vor der Flucht der Eltern 1943 auf dem Bauernhof in Büsdorf abgegeben worden. Das war alles, was Samuel ihm erzählt hatte.
Im Westen von Köln, hatte er gesagt.
Was war eigentlich mit dem Freund, Paul Streithoff, lebte der noch, konnte man ihn nicht fragen? Wenn er damals bereits als Arzt der Prominenten praktizierte, war er bestimmt schon dreißig Jahre oder älter gewesen. Zbigniew rechnete. Wenn er 1910 geboren war, würde er bald einhundert Jahre alt sein. Keine große Chance, dass er noch lebte.
In seinem Mantel steckte noch der Prospekt vom EL - DE -Haus, den Zbigniew mitgenommen hatte. Er wählte die Nummer von Mendelstein; nach kurzer Zeit meldete sich eine Frauenstimme. Zbigniew hatte das Gefühl, dass er an der Pforte bei der freundlichen alten Dame mit dem Dutt angelangt war. Julius Mendelstein war »zu Tisch«, ob sie ihm weiterhelfen könne?
Nein, entschied Zbigniew.
Zu Tisch. Eigentlich hatte er selbst auch Hunger.
Die Sonne, brannte nicht inzwischen schon sein Gesicht? Man sollte die Märzsonne niemals unterschätzen.
Das
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