Die tote Schwester - Kriminalroman
Pfarrer an.
»Das würde mich sogar sehr interessieren«, sagte er. »Was Sie tun, das hilft mir sehr.«
Der Pfarrer lächelte nicht, aber Zbigniew erkannte einen Hauch von Freude in seinem Gesicht.
Als sie die Kirche verließen, begann der Regen. Der Priester holte aus dem Pfarrhaus zwei Schirme.
»Liegen sie nicht hier auf dem Friedhof?«, fragte Zbigniew verwundert.
»Nein. Es ist draußen am Weinfelder Maar.«
Zbigniew ließ den Priester auf dem Beifahrersitz einsteigen. Als sie losfuhren, bemerkte er, wie sich an einem der Vorhänge des Pfarrhauses etwas bewegte. Der alte Pfarrer war sicherlich nicht allzu begeistert von dem, was sein junger Kollege tat.
Sie fuhren ein Stück aus dem Ort heraus, wieder zurück über die Landstraße. Zbigniew hatte vermutet, dass sie nun zu dem See fahren würden, den er bereits auf der Hinfahrt gesehen hatte. Das Maar, an dem Schalkenmehren lag.
Stattdessen ging es den Berg hinauf.
»Ist der See nicht unten?«
Der Priester sah ihn kopfschüttelnd an.
»Das Maar. Da, wo wir hinfahren, das ist ein anderes Maar. Die Besucher und die Alten nennen es das ›Totenmaar‹. Haben Sie noch nie davon gehört?«
Der Begriff »Totenmaar« kam Zbigniew bekannt vor. Vermutlich hatte er mal in einem Reiseführer davon gelesen.
»Nein, ich war leider noch nie in dieser Gegend«, sagte er dennoch.
»Weiter oben gibt es ein zweites Maar. Es liegt etwas versteckt, man kann es von der Straße aus nicht sehen. Vielleicht ist Ihnen der Parkplatz aufgefallen.«
»Und der Ort dazu heißt Weinfeld?«
»Der Ort existiert nicht mehr. Es gab früher dort ein Dorf mit diesem Namen. Aber das ist schon lange her. Es wurde alles zerstört.«
»Im Zweiten Weltkrieg?«
Der Priester lachte.
»Sie waren wirklich noch nicht hier. Nein, das ist schon viel länger her. 1512 ist die letzte urkundliche Erwähnung von Weinfeld gewesen. Das Dorf wurde aufgelassen nach einer Pestepidemie. Die Überlebenden sind weggegangen, das Dorf verfiel, wurde als Steinbruch benutzt. Das Einzige, was es dort noch gibt, sind die Kirche und der Friedhof. – Hier rechts.«
Zbigniew fuhr den Wagen auf einen Wanderparkplatz.
»Ich habe Ihnen noch gar nicht richtig gedankt, dass Sie mir Ihre Zeit widmen. Obwohl Ihr Kollege wahrscheinlich gar nicht so begeistert davon ist«, sagte er, als sie ausstiegen.
»Das ist schon in Ordnung«, antwortete der Priester. »Meine religiöse Überzeugung gebietet es mir, Menschen, die auf der Suche nach der Wahrheit sind, zu helfen.«
Die Wahrheit, dachte Zbigniew.
Sie öffneten die Schirme, gingen über die Landstraße hinweg zu einer Weggabelung, von der aus ein Pfeil in Richtung der Weinfelder Kapelle deutete. Hinter einigem Buschwerk und niedrigen Bäumen ging es weiter bergauf. Der Weg wurde immer morastiger. Zbigniew hatte das falsche Schuhwerk für eine derartige Wanderung.
»Oben wird es besser«, sagte der Priester, als ob er seine Gedanken lesen konnte.
Sie stapften weiter den Weg hoch.
»Liegt der See oben auf dem Berg?«, keuchte Zbigniew verwundert.
»Das Maar liegt nicht auf dem Berg, nein, aber Sie haben schon recht. Es ist ein ganz besonderer Ort. Mal abgesehen von den ganzen Pestgeschichten gibt es hier auch unzählige Sagen, die die Geschichte der Kapelle erzählen. Natürlich auch solche, in denen ein Schloss in der Mitte des Sees versunken ist.«
Der Regen wurde stärker, verwandelte sich in einen heftigen Schauer. Es gab nichts zum Unterstellen, sie gingen einfach weiter.
»Der Herr macht nass, aber der Herr trocknet auch wieder«, wandte sich der junge Priester mit einem Lächeln an Zbigniew.
Zbigniew musste grinsen, obwohl ihm eigentlich nicht danach zumute war.
»Ist denn schon jemand den See hinuntergetaucht? Wegen dem Schloss, meine ich?«
»Ja. Aber das Maar ist über 50 Meter tief, insoweit … Wer weiß.«
Zbigniew sah den Priester nur von hinten, aber er war sich sicher, dass er schmunzelte.
Der Weg weitete sich, und nun sah Zbigniew zu seiner Linken einen tiefen Abhang, an dessen Fuß ein großer, kreisrunder See lag. Vor ihnen, auf einer weiteren Anhöhe zum nächsten Berg, erhob sich eine kleine, weißgetünchte Kapelle, die über dem See thronte.
Sie sprachen nicht mehr, als sie auf den kleinen Friedhof, der sich um die Kapelle herum erstreckte, zugingen. Der Regen prasselte auf die Schirme, die Schritte waren im Lehm zu hören. Diese Geräusche schienen das Einzige zu sein, das an diesem Ort lebendig war.
Sie gingen ein paar Stufen
Weitere Kostenlose Bücher