Die Tote
runter und verließ sein Büro. Gerade als er Charlotte anrufen wollte, klingelte sein Handy. Die Nummer auf dem Display kannte er nicht.
»Bergheim«, meldete er sich und wäre beinahe gestolpert, als Charlottes Vater sich meldete. Sein Fuß war wohl doch noch nicht voll einsatzfähig.
»Könntest du mich vom Bahnhof abholen? Du kannst doch wieder fahren, oder?«
Bergheim schluckte. »Äh, ja klar. Ich bin in zwanzig Minuten da. Wir treffen uns unterm Schwanz.«
Dann legte er auf und blickte hilfesuchend zum Himmel. Was war jetzt in den gefahren? Wieso fragte er nicht seine Tochter? Wahrscheinlich war sie unterwegs. Er rief Maren an, weil Charlotte ihr Handy mal wieder ausgeschaltet hatte, und erfuhr, dass sie auf dem Weg nach Braunschweig war. Also musste er das wohl erledigen. Er hatte allerdings überhaupt keine Lust, den Mediator für ein streitendes Ehepaar zu spielen. Und schon gar nicht für seine Schwiegereltern in spe, die er mochte, alle beide. Und er wollte, dass das so blieb.
Werner Wiegand stand wie verabredet am Denkmal des Hannover’schen Kurfürsten. Allerdings nicht unterm Schwanz, das fand er würdelos, wie er Bergheim später verriet. Charlottes Vater liebte es sowieso, sich über die Hannoveraner lustig zu machen. In den seltenen Fällen, in denen Charlotte und Bergheim bei ihren Eltern in Bielefeld zu Gast gewesen waren, konnte Vater Wiegand es sich nicht verkneifen, auf Hannovers verpasste Chancen hinzuweisen. Immerhin hatten die Könige von Hannover vor ein paar hundert Jahren mal die halbe Welt regiert, weil sie aus irgendwelchen obskuren erbrechtlichen Gründen auf dem englischen Thron gelandet waren. Da hätte man doch was draus machen können!
Aber was war aus den Hannoveranern geworden? Sie trafen sich unterm Schwanz, tranken Bier und Schnaps gleichzeitig auf so verwegene Weise, dass man sich dabei die Finger verrenkte und sich obendrein immer bekleckerte. Was das wohl sollte? Und dann gab’s da eine Keksfabrik – wie hieß die noch –, da hing in aller Öffentlichkeit ein goldener Keks vor der Haustür. Hatte er mit eigenen Augen gesehen und seine Tochter, die ja Polizistin war, auf diesen Leichtsinn hingewiesen. Wenn den mal einer klaute.
Bergheim chauffierte Wiegand zum Courtyard-Hotel, da hatte man so einen schönen Blick auf den Maschsee, hatte Werner Wiegand gesagt, und Bergheim war erleichtert, dass er nicht zu Charlottes Wohnung wollte. Da war es momentan schon schwierig genug. Und so viele Extrazimmer für zerstrittene Eheleute hatten sie nun mal nicht.
Vater Wiegand bestand darauf, seinen Schwiegersohn zu einem »Drink« einzuladen. So hatte er sich ausgedrückt. Bergheim fand, dass der Mann zu viele amerikanische Filme konsumierte, ließ sich aber überreden. Nachdem Wiegand eingecheckt hatte, gingen sie an die Bar, wo er zwei Bier bestellte.
Bergheim protestierte zwar, aber niemand kümmerte sich darum. Was soll das hier werden, fragte er sich, als er neben seinem Schwiegervater saß und der ihm zuprostete.
»Weißt du, Rüdiger«, Wiegand wischte sich den Mund ab und tätschelte Bergheims Schulter, »ich hab ja keine Ahnung, was die Frauen da aushecken, aber ich bin total unschuldig.«
Bergheim verkniff sich bei dieser Formulierung ein Grinsen. Wie oft hatte er das schon gehört. Und meistens waren die, die es aussprachen, alles andere als unschuldig.
»Das Ganze ist ein totales Missverständnis. Das ist alles so ungerecht. Glaubst du? Ich war schon auf dem Weg in den Süden. Hab schon im Zug gesessen, weil ich hier keinen Flieger mehr gekriegt habe, aber dann bin ich … wie sagt man so schön … ein paar Tage in mich gegangen. Will dich jetzt gar nicht mit Einzelheiten langweilen, aber ich wär dir dankbar, wenn du bei Charlotte mal deinen Einfluss geltend machen könntest.«
Bergheim schnaubte und trank von seinem Bier.
»Ja, die Inge hört auf ihre Tochter. Wenigstens manchmal«, fügte er mit einem Achselzucken hinzu. »Ich hab da nämlich einen Plan, aber im Moment drehen ja alle durch. Und es ist mir wirklich wichtig.«
Bergheim antwortete nicht und sah Wiegand misstrauisch an. Der bestellte bereits sein zweites Bier und einen Calvados.
»Meinst du nicht, du solltest was essen?«, wagte Bergheim einzuwenden.
»Ja, ja, später.« Wiegand wedelte den Einwand beiseite und stürzte den Calvados hinunter. Dann erklärte er Bergheim seinen Plan, unter Zuhilfenahme eines weiteren Calvados und eines Bieres. Sein Schwiegersohn stieg auf Wasser
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