Die Tote
der Aussage von diesem Penner? Weißt du, ob Rüdiger da noch was rausgefunden hat?«
»Bei dem Typen, der so nach Pisse stank …«, Kramer kicherte, »nee, also den haben wir eigentlich beide nicht für voll genommen, aber … warte mal. Er hat sich über irgendwas gewundert, das weiß ich noch. Glaube aber nicht, dass es was mit dem Penner zu tun hatte. Ich weiß bloß, dass er dich danach fragen wollte.«
»Wonach?«, fragte Charlotte gespannt.
»Na, das hat er mir nicht verraten. Als er ging, hat er gesagt, er müsste zum Bahnhof, deinen Vater abholen«, antwortete Kramer, während im Hintergrund »Happy Birthday« angestimmt wurde, »aber du kannst den Huber mal fragen, mit dem hat er sich noch kurz unterhalten. Vielleicht weiß der ja was. Der hat allerdings am Wochenende frei. Weiß nicht, ob du den heute erwischst. Ich muss jetzt auflegen, tschüs.«
»Huber«, seufzte Charlotte, die Kramers versteckten Vorwurf natürlich verstanden hatte. Er glaubte auch, dass ihre Phantasie mal wieder mit ihr durchging und sie die Leute wenigstens am Sonntagabend mal in Ruhe lassen sollte. Und bei Huber würde sie heute kein Glück haben. Das war einer von diesen fundamentalistischen Beamten, die alles genau nach Vorschrift erledigten und am Wochenende nicht zu sprechen waren, weil dann eben Wochenende war und sie keinen Dienst hatten.
Ihr blieb nichts anderes übrig, als bis morgen zu warten. Obwohl sie nicht glaubte, dass Huber ihr was zu erzählen hatte. Morgen um acht Uhr war Besprechung. Es mussten Aufgaben verteilt werden. Sie hatten zwei ungeklärte Todesfälle, wenn man Janinas mitzählte, sogar drei, zu bearbeiten und noch immer keine Erkenntnisse über den Verbleib des vermissten Babys und von Alina Wildner.
Und nun kam ihnen auch noch ein Kripobeamter abhanden. Ostermanns Abschied stand unter keinem guten Stern.
ACHT
Er lag auf etwas Hartem, Kaltem. Fühlte sich an wie Stein. Wieso lag er auf Stein? Langsam öffnete er die Augen und blickte in Dunkelheit. Sein Kopf war ein einziges schmerzendes Universum. Er wälzte sich auf die Seite und befühlte seinen Hinterkopf. In seinen Haaren klebte etwas. Ihm fehlte die Kraft, weiter darüber nachzudenken, und er zog die Hand wieder zurück. Vage konnte er sich an eine Autofahrt erinnern. Oder war das nur ein Traum gewesen?
Seine Hände betasteten den Untergrund, auf dem er lag. Es war tatsächlich Stein. Kalter, feuchter Stein, mit diesem typischen Geruch nach Pfeffer. Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit, und er nahm – ganz weit oben – ein helles Viereck wahr. Er richtete sich auf, sein Schädel dröhnte. Als er versuchte auf die Füße zu kommen, durchfuhr ihn ein heftiger Schmerz, der ihm das Wasser in die Augen trieb. Er legte sich wieder hin, wartete, hoffte, dass der Schmerz nachlassen würde. Sein Atem ging schwer. Und unregelmäßig, fand er. So, als würde er zwischen den Atemzügen auch atmen.
Er hielt den Atem an und lauschte. Da atmete noch jemand, er war nicht allein. Was war das? Wer war das? Mensch oder Tier? Feind oder Freund? Wurde er bewacht? Wenn er sich bloß erinnern könnte, wie er in diese Lage gekommen war. Er lauschte weiter dem Atmen. Es war leise und gleichmäßig, eher langsam-menschlich, nicht hechelnd wie bei einem Hund. Und die Quelle war nicht weit von ihm entfernt. Irgendwie beruhigte es ihn. Immerhin schien das Wesen seine Lage zu teilen. Und wenn es ihm etwas hätte antun wollen, dann hatte es wohl genug Gelegenheit gehabt. Das Grübeln verschlimmerte den Schmerz in seinem Kopf. Er schloss die Augen, versuchte, sich zu entspannen und nicht zu denken. Das war leichter gesagt als getan in dieser Situation. Wenn sein Denkapparat ihm auch nicht wirklich gehorchte. Er war in Gefahr und obendrein im Moment nicht in der Lage, sich zu verteidigen, so viel immerhin war ihm klar. Er musste irgendwie seine Kräfte sammeln, versuchte es mit Yoga, das kannte er. Und seinen Namen? Verdammt, er wusste nicht mal seinen Namen. Sein Herz fing an zu klopfen, und er versuchte erneut sich aufzurichten, musste aber einsehen, dass das ausgeschlossen war. Er legte seinen schmerzenden Schädel in seine Armbeuge und schloss die Augen. Vielleicht …
* * *
Charlotte hatte in der Nacht kaum geschlafen. Um sechs war sie aufgestanden. Ihre Mutter hatte sie gehört, war ebenfalls aufgestanden und in die Küche gegangen, um Kaffee zu kochen. Als Charlotte in die Küche kam, hielt sie ihr ihren Becher entgegen.
»Ach, Mama, du
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