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Die verzauberten Frauen

Die verzauberten Frauen

Titel: Die verzauberten Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Schulz
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Schrank«, sagte sie. »Alle.«

    Man hätte den Sachbearbeiter für schön halten können, wären da nicht die Hautfalten an den Wangen und der gerötete Hals gewesen. Er besaß eine Art weiblicher Schönheit in einem männlichen Gesicht. Seine prächtigen blonden Locken waren von dünnen Silberfäden durchzogen. Velsmann kam er auf eine abstrakte Weise vertraut vor, er konnte sich aber nicht erinnern, ihn je getroffen zu haben. Als er von ihm begrüßt wurde, spürte er eine kalte Hand. Breitenbach musterte der Angestellte der Asservatenkammer von oben bis unten.
    »Kommen Sie«, sagte er dann liebenswürdig, »wir erwarten Sie schon seit einer halben Stunde.«
    Velsmann überhörte den Vorwurf geflissentlich. Was ist schon eine halbe Stunde, wenn wir bis ins erste Jahrhundert nach Christus zurückgehen müssen, um die Wahrheit zu packen. Hätte er gern erwidert.
    Eine junge Frau empfing die Besucher mit einem Telefonhörer in der ausgestreckten Hand. »Für Sie, Herr Inspektor.«
    »Ja, hallo?«
    »Martin? Wo steckst du denn!«
    »Andrea! Ich bin gerade eben eingetroffen. Wir wurden in Winkel aufgehalten.«
    »Jemand ist in unsere Wohnung eingebrochen, Martin! Ich komme gerade nach Hause. Alles ist durchwühlt! Das ist ein scheußliches Gefühl, dass ein Fremder in unseren Zimmern war. An der Eingangstür liegt ein Briefumschlag.«
    »Lass alles liegen, Andrea. Fass nichts mehr an. Ich komme, so schnell ich kann!«
    »Was soll das alles, Martin? Ich habe Angst!«
    »Andrea, beruhige dich. Geh zu deiner Schwester und warte dort bis ich komme, hörst du? Kümmere dich um nichts. Ich rufe die Polizei.«
    »Fremde waren in unserer Wohnung, Martin! Sie gehen hier ein und aus! Ich ertrage das nicht!«
    Velsmann begriff, dass seine Frau ganz nahe vor einem hysterischen Anfall stand. Er versuchte, sie mit einer hilflosen Floskel zu beruhigen. Dann unterbrach er die Verbindung und alarmierte die Fuldaer Kripo. Schwan und Küchler machten sich sofort auf den Weg.
    »Entschuldigung«, sagt Velsmann zu den erwartungsvollen fünf Gesichtern, in die er blickte. »Etwas geht schief.«
    »Was Böses?«, wollte Breitenbach wissen.
    »Wir reden später darüber«, sagte Velsmann.
    Der Sachbearbeiter aus der Asservatenkammer, er hieß David Sennsler, stellte die Anwesenden vor. Es waren leitende Angestellte des Bundesarchivs und ein Beobachter der örtlichen Polizei namens Busch, der Velsmann mitfühlend begrüßte. Velsmann hatte Mühe, sich auf die Situation zu konzentrieren. Sennsler sprach bedeutungsvoll und betonte gewisse Silben, wobei er mit dem Kopf nickte. Velsmann versuchte, das zu überhören und sich zusammenzunehmen. Er wusste, selbst wenn die Anwesenden ihm keine stichhaltigen Informationen geben würden, ihr Gesprächsverhalten würde ihm einige Antworten liefern. Mit solchen Situationen hatte er genug Erfahrung.
    »Setzen wir uns doch!«, schlug Sennsler vor. »Wie können wir Ihnen helfen, Herr Inspektor?«
    »Sie wissen inzwischen, dass Ihre ehemalige Kollegin Ingrid Kessler ermordet wurde«, sagte Velsmann.
    »Ja. Schrecklich!«, erwiderte Sennsler.
    »Ich möchte von Ihnen alles hören, was Sie mir über Frau Kessler sagen können.«
    Ein älterer Herr mit weißen Haaren und fein geschnittenem Gesicht machte eine zustimmende Geste in Sennslers Richtung. Dieser schürzte die Lippen und sagte: »Ingrid Kessler war eine überaus liebenswürdige Frau und tadellose Kollegin. Mein Gott, sich vorzustellen, dass sie   …«
    »Stellen Sie sich das bitte nicht vor, Herr Sennsler. Überlegen Sie nur, welche Informationen wichtig sein könnten, um zur Aufklärung dieses Mordes beizutragen.«
    »Nun. Ich bin schon fünfundzwanzig Jahre im Bundesarchiv, und ich kannte Frau Kessler seit rund zehn Jahren, bis sie uns verließ. Ich hatte nie einen Streit mir ihr. Das sagt wohl alles.«
    »Über Sie? Oder über Frau Kessler?«
    »Über Frau Kessler, Herr Inspektor, natürlich über Frau Kessler. Ich bin manchmal nicht leicht zu nehmen, wissen Sie, ich achte ganz pingelig auf Ordnung und Genauigkeit, da hat es niemand leicht, der mit mir arbeitet. Aber Frau Kessler war immer verständnisvoll, sie glich alles aus. Sie liebte, wenn Sie wissen, was ich meine.«
    »Nein, ich verstehe nicht, was Sie meinen. Sie liebte?«
    »Sie war eine liebende Frau. Sie liebte die Schöpfung und das Leben. Sie hätte keiner Fliege etwas zuleide tun können.«
    »War sie gläubig?«
    »Ich denke schon, ja.«
    »Katholisch?«
    »Bewahre! Die andere

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