Die Visionen von Tarot
Brennstelle näherte, entdeckte er, daß sie größtenteils aus einer Spiegelung bestand. Holzscheite lagen auf Eisengittern, und man hatte Lampen so aufgestellt, daß ihr Schein ein offenes Feuer suggerierte. Zwischen diesen falschen Flammen hindurch wand sich ein Pfad, der in einen Gewölbegang überging. Mit neuem Vertrauen ging er weiter. Gott war wirklich hier!
Unvermittelt endete der Pfad vor einem stillen Teich. Wer wußte, was wohl unter der glatten Oberfläche lauerte? Bruder Paul drehte sich um, als wolle er zurückgehen und nach einem anderen Weg suchen – und aus einer Schleuse in der Decke ergoß sich ein Schwall Öl. Es gab einen Funken, Zündung, und aus dem Öl wurde ein Flammenvorhang. Aus dem falschen Feuerofen war ein echter geworden.
Er mußte zurück durch dieses Feuer – oder nach vorn durch das Wasser. Oder warten in der Hoffnung, daß die eine oder andere Bedrohung verschwinden würde. Aber so war das nicht bei dieser Serie von Herausforderungen – er mußte seine Geschicklichkeit an den Tag legen, indem er die Hürden überwand, anstatt sie zu umgehen. Irgendwie mußte er es schaffen. Das Wasser erschien ihm risikoloser. Bruder Paul legte seine Kutte ab, band sie fest zusammen und hielt sie zusammen mit der Lampe in der Rechten hoch. Dann trat er vorsichtig in den Teich hinein.
Unter sich spürte er einen glitschigen, stark abfallenden Grund, der ihn zwang, schneller hineinzugehen, als er dies beabsichtigt gehabt hatte. Jeder Schritt brachte ihn tiefer hinein. Knie, Schenkel, Hüfte – das Wasser war kalt, was ihn ermutigte, denn es bedeutete, daß es wahrscheinlich keine Reptilien barg. Brust, Schultern, Kinn – nun hielt er die Lampe über den Kopf. Wenn es tiefer würde, müßte er schwimmen und riskieren, daß die Lampe erlosch, denn er konnte sie kaum gerade und hoch genug halten, wenn er richtig schwamm.
Er merkte, daß er schon die Mitte des Teiches erreicht hatte. Mit ein wenig Glück – oder der Voraussicht jener, die diese Prüfung für ihn erdacht hatten – war dies die tiefste Stelle. Hatte ihn jemand gemessen, weil das Wasser gerade seiner Größe entsprach? Nun müßte es schon wieder flacher werden …
Das war auch der Fall. Erleichtert schritt er das Ufer hinauf. Dies war grundsätzlich eine Prüfung seines Mutes und seiner Glückhaftigkeit gewesen, und zwar keine sehr komplexe. Eine Wahl zwischen Feuer und Wasser. Eigentlich waren alle diese Prüfungen sehr einfach und körperlich gewesen – heutige Examina dieser Art wären weitaus komplexer und ausgeklügelter. Er hatte die Feinsinnigkeit der …
Sein Fuß verfing sich in einem Spalt des Bodens unter ihm. Er fiel zu Boden, schlug mit der linken Hand auf das Wasser auf und wedelte mit der Rechten, um seine Balance zurückzugewinnen. Er schaffte es. Sein suchender Fuß fand den Rand des Spaltes. Reines Glück! Aber die Lampe fiel von dem zusammengebundenen Gewand herab ins Wasser. Verzweifelt griff er mit der Linken danach, verfehlte sie aber – sie wäre auch in jedem Fall erloschen. Er könnte sie wieder entzünden, indem er sie zurück zu dem Flammenvorhang trug, wenn sich das Öl nicht mittlerweile hoffnungslos mit Wasser vermischt hatte und er dicht genug herankam, ohne sich zu verbrennen, und wenn …
Er blickte sich um. Der Feuervorhang war erloschen. Nur die Lampen waren geblieben. Selbst wenn er die Lampe noch hätte und sie noch funktionierte, würde er sie nicht anzünden können.
Er blieb stehen. Idiot! Er brauchte nur eine der anderen Lampen mitzunehmen. Aber sie gaben nur wenig Licht, und vielleicht lauerten auf denjenigen, der zurückging, neue Fallen. Das beste war wohl, die Konsequenzen seines Irrtums zu akzeptieren und ohne Licht
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