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Die Wahrheit des Blutes

Die Wahrheit des Blutes

Titel: Die Wahrheit des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Levys Schließfach?«
    Passan machte sich nicht die Mühe, auf Fifis Frage zu antworten.
    »Kümmere dich um die Labors. Lass sämtliche Safes von Guillard öffnen – er hat bestimmt mehrere. Überzeuge Calvini. Und ruf die Jungs von der Wache in Stains dazu.«
    »Warum?«
    »Um herauszukriegen, wie Levy die Handschuhe gefunden hat. Wir müssen wieder von vorn anfangen. Die Nachbarschaft muss noch einmal befragt werden.«
    »Das wird ziemlich heiß.«
    Passan antwortete nicht mehr. Trotz der Neuigkeiten über Levy und der damit verbundenen kurzzeitigen Erregung hatte das Morphin wieder gesiegt. Passan war tief und fest eingeschlafen.

58
    19 Uhr. Nach den Stunden vor der Klasse und einer langweiligen Lehrerkonferenz konnte Sandrine Dumas die Schule endlich verlassen. Von der Porte de la Villette hatte sie fast eine Stunde bis zur Porte Maillot gebraucht. Danach musste sie noch die Avenue Charles de Gaulle hinunter bis nach Nanterre. Immer wieder war ihr schlecht geworden. Sie schwitzte so stark, dass sie ihr Kleid fast auswringen konnte, und die Haut unter ihrer Perücke juckte entsetzlich. Aber sie hatte alles hingenommen, weil es nun einmal ihr Lebensmotto war, anderen zu helfen. Mehr konnte man nicht geben, wenn der Tod unmittelbar bevorstand …
    Heute Abend ging es um Olive. Schon seit Jahren waren sie keine Freunde mehr, und manchmal wurden sie sogar zu Feinden, wenn Sandrine Partei für Naoko ergriff. Aber sie kannte Passans Geheimnis. Ein Geheimnis, von dem sonst niemand wusste und über das auch Olivier niemals sprach.
    1998 war er ganz brutal abgestürzt. Während er zwei Diebe über ein Hausdach in der Rue des Petites Écuries verfolgte, hatte er sie angerufen, weil er sich plötzlich nicht mehr bewegen konnte. Entsetzt und wie gelähmt klammerte er sich an eine Zinküberdachung und hatte nur noch einen Gedanken: zu springen.
    Sie war sofort gekommen, hatte über die Dienstbotenzimmer Kontakt mit ihm aufgenommen und es fertiggebracht, ihn wieder ins Haus zu holen. Passan konnte zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr sprechen. Sandrine hörte lediglich ein Geräusch, das ihr ganz besonders entsetzlich erschien: Er knirschte mit den Zähnen.
    Damals hatte sie zwei Dinge begriffen.
    Erstens: Er hatte sich an sie gewandt, weil es niemand anderen gab.
    Sie hatten sich auf ziemlich banale Weise kennengelernt. Ein Jahr zuvor war Sandrine beim Verlassen einer Disco im 10. Arrondissement überfallen worden. Passan hatte ihre Anzeige aufgenommen. Sie waren miteinander ausgegangen, fanden aber nicht viele Gemeinsamkeiten. Trotzdem trafen sie sich weiter. Als gute Freunde. Sandrine wurde zu Passans Vertrauter, der er alles sagen konnte, mit der er aber sonst nichts anzufangen wusste. Sie hatte sich damit begnügt.
    Und zweitens: Die Panikattacke war nicht etwa Ausdruck einer schlechten Phase, sondern das erste Anzeichen einer schweren Depression. Sie hatte ihn mit zu sich nach Hause genommen, und er wurde vom Amtsarzt der Polizei krankgeschrieben. Offiziell litt Passan an einer Herzinsuffizienz, weshalb er endlose Untersuchungen über sich ergehen lassen musste. Sandrine hatte entdeckt, dass Passan heimlich Betablocker nahm, um bei diesen Untersuchungen auch wirklich einen zu niedrigen Blutdruck zu haben. Nie im Leben hätte er zugeben können, dass er unter Depressionen litt.
    Monatelang hatte sie sich um ihn gekümmert, für ihn gekocht, auf ihn aufgepasst und ihn überwacht. Sie hatte seine Dienstwaffe versteckt. Sie hatte ihn getröstet, wenn er Angstzustände bekam oder sich plötzlich nicht mehr bewegen konnte. Alle dachten, sie wären ein Paar, was aber nur teilweise stimmte. Ihre Beziehung war die einer Krankenschwester und eines Patienten.
    Nach und nach war er zu seiner Arbeit zurückgekehrt. Immer noch bekam er in Tunnels Platzangst, weinte manchmal auf der Toilette und schloss sich in seinem Büro ein. Manchmal war es sogar noch schlimmer – wenn er nämlich Oberwasser bekam, hyperaktiv wurde und seine Aggressionen nicht mehr kontrollieren konnte. Dann verschwand er nachts und kam am nächsten Morgen mit glasigem Blick, Blut an der Kleidung und ohne die geringste Erinnerung zurück. Sandrine bekam es mit der Angst zu tun. Dieser bärenstarke, mit einer Polizeiwaffe und einer Dienstmarke ausgestattete Mann konnte zu einer ernsthaften Gefahr für die Stadt werden. Nach solchen Eskapaden verfiel er häufig wieder in seine übliche Lethargie, und sie musste ihn mit Babybrei füttern.
    Sie hatte

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