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Die Widmung: Roman (German Edition)

Die Widmung: Roman (German Edition)

Titel: Die Widmung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunonia Barry
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dass er sie liebe.
    Den ganzen Sommer über liebten sie sich jeden Nachmittag, manchmal bei ihm zu Hause, manchmal in dem Pick-up, wenn sie irgendwo einen abgelegenen Parkplatz fanden. Um fünf war sie immer zu Hause. Lilly hielt es für wichtig, dass Zee das wusste.
    »Ich bin immer rechtzeitig zu Hause, um das Abendessen zu machen«, erklärte sie.
    Lilly kochte mit üppigen Festmahlen gegen ihre Schuldgefühle an. Je mehr sie sich herumtrieb, umso besser kochte sie. Sie pürierte Gemüse, gab ungewöhnliche Aromen wie Erdbeer oder Erdnussbutter dazu, alles, was die Kinder auch wirklich aßen. Sie kaufte Bioprodukte auf dem Bauernmarkt. Sie grub sogar um Mitternacht den Garten um, um ein Gemüsebeet anzulegen. Sie wurde nie fertig damit, was zu einer großen Diskussion mit ihrem Landschaftsgärtner führte. Die Gartenarbeiter aus Guatemala schienen damit allerdings kein Problem zu haben. Sie mähten einfach um das Loch herum, als glaubten sie daran, dass es eines Tages wirklich zu etwas Schönem werden würde, und sie füllten es nie auf, wie es ihr Chef vorgeschlagen hatte. Einer von ihnen fand sogar ein Päckchen Samen im Schuppen und pflanzte ein paar Reihen von etwas, das zuerst wie Karotten aussah, sich dann aber als Schafgarbe entpuppte.
    Mit dem Beginn des Herbstes versank Lilly in einer Depression, die der der großen Dichter Konkurrenz machte. Sie hörte auf herumzulaufen. Sie kündigte dem Kindermädchen. Schmutziges Geschirr häufte sich in der Spüle. Eines der Kinder bekam Läuse, und sie merkte das nicht einmal, bis sie von der Schule einen Brief und eine Flasche Pronto-Shampoo bekam.
    Wie fühlten Sie sich da? Zee musste die Standard-Seelenklempnerfrage gar nicht stellen. Sie kannte die Antwort bereits. Lilly verspürte sämtliche destruktiven Emotionen, die es gab – Angst, Schuld, Unzulänglichkeit –, als wären es bislang ungelüftete Geheimnisse bei der Kindererziehung.
    »Also, es ist so«, hatte Mattei Lillys Mann erklärt, der in der berühmten Ärztin die letzte Hoffnung für seine Frau sah. »Meistens bekommen die Patienten eine Tablette und werden wieder losgeschickt. Ich mache das nicht.« Zee registrierte die Erleichterung in seinen Augen, als Mattei die Vorgehensweise erklärte. Zuerst wollten sie Lilly von sämtlichen Medikamenten entwöhnen, dann konnten sie genau erkennen, womit sie es zu tun hatten. In der Zwischenzeit sollte Lilly einen kompletten Check-up machen sowie sämtliche Standarduntersuchungen über sich ergehen lassen, Schilddrüse und Östrogenspiegel und sogar einen Dexamethason-Suppressionstest, um das Cushing-Syndrom auszuschließen, obwohl Mattei und Zee beide ziemlich sicher waren, wie die Diagnose letztlich ausfallen würde.
    »Einen solchen Check-up haben wir schon hinter uns«, sagte der Ehemann, den einige Begriffe, die Mattei benutzte, verwirrten, dieser hier aber war ihm geläufig. Er deutete auf die Akte, die er ihr vorher gezeigt hatte.
    »Ich möchte, dass Sie noch einen im Mass General durchführen«, sagte Mattei.
    Sie waren einverstanden. Dann stellte Mattei Lilly eine Frage, die sie allen ihren Patienten stellte.
    »Wo waren Sie, als Sie Ihre erste Panikattacke hatten?«
    Eine lange Stille folgte. Der Ehemann, der normalerweise jede Frage für seine Frau beantwortete, wirkte ratlos.
    Alle warteten auf Lillys Reaktion. Nachdem das Schweigen so peinlich geworden war, dass der Ehemann nervös wurde, machte er Lilly Vorschläge. Vielleicht in der Kirche? Auf dem Markt? Vielleicht mit den Kindern am Strand?
    »Lassen Sie Ihre Frau die Frage beantworten«, sagte Mattei.
    »Ich weiß nicht, wo ich war«, sagte Lilly. Ihre Stimme klang flach.
    »Blödsinn«, sagte Mattei nach der Sitzung zu Zee, als sie wieder allein waren. »Das weiß jeder.«

5
    Der Parkplatz gegenüber der Old North Church in Marblehead war bereits voll, deshalb wurde Zee von einem Mitarbeiter des Bestattungsunternehmens in eine Seitenstraße dirigiert, wo es noch freie Plätze gab. Als sie um die Ecke bog, hatte sie einen kurzen Blick auf den Ozean, der ihr grell entgegenleuchtete, so dass es ihr in den Augen pochte.
    Die Träger luden gerade den Sarg aus, als Zee die steilen Granitstufen hinaufstieg. Sie eilte in das geräumige Kircheninnere voraus und setzte sich in die letzte Reihe. Eine alte Frau rutschte zur Seite, um ihr Platz zu machen, ihr Gehstock schleifte dabei kratzend über die Holzbank.
    Überall waren Fotos von Lilly aufgestellt.
    Zee musste fest schlucken, um nicht zu

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