Die Widmung: Roman (German Edition)
zum Abendessen«, sagte Jessina zu Finch. »Heute gibt es Fisch.«
Er lächelte schwach, als sie ging.
»Ich glaube, ihr ist die Art der Beziehung zwischen dir und Melville nicht ganz klar«, sagte Zee und schenkte sich eine Tasse von dem dominikanischen Kaffee ein, den Jessina gekocht hatte.
Sie wollte ihn in ein Gespräch darüber verwickeln, das hatte sie Melville versprochen. Aber Finch biss nicht an. Stattdessen drehte er sich um und schaute die Treppe hoch. »Warum schläfst du dort oben?«, fragte er. »Hier unten gibt es ein Zimmer, das völlig in Ordnung ist.«
Sie wollte ihm den Grund nicht nennen; sie hatte Angst, das würde ihn kränken. Der wahre Grund war, dass sie mit seinem »Sundowning« nicht zurechtkam. Es jagte ihr Angst ein, wenn sie aufwachte und Finch im Zimmer stand. Er sah bloß nach ihr, so wie früher, als sie noch ein Kind war, aber es raubte ihr den Schlaf. Seit sie einmal aufgewacht war und den ängstlichen Blick in seinen Augen gesehen hatte, als er erstarrt neben ihrem Bett gestanden hatte, hatte sie nicht mehr unten schlafen können.
Sie wusste, dass sie nicht antworten musste und die Frage rein rhetorisch war. Finch verlieh nur seinem Unmut darüber Ausdruck, dass die Tür, die so lange abgeschlossen gewesen war, nun offen stand und die Treppe hinauf zu dem Zimmer führte, in dem sie ihre Mutter gefunden hatten.
Zee verbrachte den ganzen Tag mit Putzen. Aber sie musste ständig daran denken, was sie Hawk sagen sollte. Schließlich wurde ihr klar, dass es das einzig Vernünftige war, ihm zu sagen, dass sie einander bei Lillys Beerdigung gesehen hatten, und das Spiel zu beenden. Sie wollte durchaus gerne erfahren, warum er überhaupt auf die Beerdigung gegangen war, obwohl Augenzeugen das öfters taten. Aber das würde sie ihn nicht fragen. Sie konnte überhaupt nicht über Lilly sprechen. Sie würde ihm einfach sagen, dass sie ihn dort gesehen hatte, und hoffen, die Sache wäre damit erledigt. Und nicht nur die Sache, nein, vorbei wäre es zugleich mit der Anziehung, die sie auf ihn ausübte oder auch nicht, da war sie sich ziemlich sicher.
Zee versuchte sich zu beschäftigen und nicht zu viel darüber nachzudenken. Doch je später es wurde, desto aufgeregter wurde sie.
Um halb sechs entkorkte sie eine Flasche Wein. Sie setzte sich auf die Veranda, trank und schaute den Booten zu.
Um sechs Uhr brachte ihr Jessina Käse und Cracker zum Wein. »Sie sollten das nicht trinken, wenn Sie nichts im Magen haben«, sagte sie.
Zee dankte ihr und wollte sie gerade zu einem Glas Wein einladen, als es klingelte. Jessina eilte zur Tür.
Zee sah zu, wie Jessina Hawk auf die Veranda führte.
»Hübsche Aussicht«, meinte er.
»So ziemlich die gleiche wie Ihre.« Sie schaute in Richtung Friendship .
»Schon, aber Ihre gehört Ihnen«, sagte er.
Sie lächelte. »Nicht mir, meinem Vater.«
Sie holte ihr Scheckbuch und fing an zu schreiben. Dann schaute sie in ihren Geldbeutel und merkte, dass sie noch Bargeld hatte, das eigentlich für Jessinas Einkäufe gedacht war. »Hätten Sie es lieber in bar?«
»Immer«, meinte er.
Der Wein hatte sie ein wenig verändert. Sie merkte, dass ihm die Flasche auffiel.
»Möchten Sie ein Glas?«
»Ich bin nicht der große Weintrinker«, sagte er.
»Und einen Cracker?«, fragte sie. »Der Käse ist ziemlich gut.«
Er nahm einen Cracker, setzte sich aber nicht.
Wenn sie etwas sagen wollte, dann musste es jetzt sein. »Bitte«, sagte sie. »Setzen Sie sich doch.«
Er setzte sich gegenüber von ihr an den Tisch.
Es gab keine andere Möglichkeit, es zu sagen, als geradeheraus. Ermutigt durch den Wein fuhr sie fort: »Ich sage Ihnen, wo wir uns gesehen haben.«
Er schaute sie an.
»Bei Lilly Braedons Beerdigung.«
»Was?« Er war völlig perplex.
»Sie waren der Augenzeuge auf der Brücke«, sagte sie.
Er schwieg lange. »Waren Sie mit Lilly befreundet?«, fragte er schließlich.
»Sozusagen«, meinte sie.
»Was bedeutet das?«
Sie hatte beschlossen, ihm nichts weiter zu verraten, aber nun erklärte sie es ihm doch. »Ich war ihre Therapeutin.«
Es war schlimmer, als sie es sich vorgestellt hatte. Sie hätte rein gar nichts sagen sollen. Wäre sie nicht ein bisschen angetrunken gewesen, hätte sie niemals den Mund aufgemacht. Sie spürte seinen Blick auf ihr ruhen, spürte, wie er über sie urteilte. Ich konnte sie nicht retten , wollte sie sagen, doch stattdessen saß sie einfach da und wartete darauf, dass er etwas sagte.
Das dauerte
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