Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
Vom Netzwerk:
gesehen? Das muß von dem vielen Feuer kommen, das er schluckt«, kicherte sie.
    Sie musterte den jungen Mann mit der Fackel und dem knappen Lendenschurz eindringlich. Ich seufzte innerlich. Wir mußten nun anfangen, auf Christina aufzupassen und die Mönche bitten, im Dorf unter den Leibeigenen einen Ehemann für sie zu finden. Sonst mußten wir noch ein Bündel am Waldrand aussetzen!
    Ich schlenderte einige Schritte weiter. Dort stand ein Gaukler mit einem langen weißen Bart. Seine Haut war von der Sonne gegerbt, und auf seine Stirn hatte er sich einen zinnoberroten Punkt gemalt. In seinen Ohren hingen Ringe, und er trug sein ebenfalls weißes Haar im Nacken zu einem Zopf gebunden. Wie alt er war, konnte ich schlecht abschätzen. Plötzlich kam mir der Gedanke, wieviel er in seinem Leben schon gesehen haben mußte. Ich dagegen würde immer nur hier in diesem Dorf bleiben, in meinem mir ! Er brachte die Menge gerade mit einer Handbewegung zum Schweigen und nahm zu seinen drei Kegeln noch einen vierten und fünften auf. Sein Geselle sah ihm gelassen zu und polierte andere Kegel aus glänzendem Holz. Der Alte erklärte in gebrochenem Deutsch: »Zwei Kegel – für Kleinkinder! Drei Kegel – für Narren! Vier Kegel – ist gut! Fünf Kegel – für Meister!«
    Dabei schlug er sich prahlerisch an die magere Brust. Die Umstehenden klatschten freundlich und ermutigend. Christina drückte sich neben mich, und wir beide stimmten begeistert in den Beifall ein. Sein Geselle sah mich an und zwinkerte mir zu. Annas kleine Hand stahl sich in meine, und Elisabeth Rabe stand nun auch neben mir. Die Kegel flogen steil in die Luft, so hoch und so schnell, daß unsere Augen sie im Flug nicht mehr unterscheiden konnten. Die Sonne brach sich auf dem schimmernden Holz, und der Alte ließ sich im Werfen noch ein sechstes und siebtes Holz reichen. Die Leute staunten mit offenen Mündern. Die bunten Musikanten zogen wieder mit Getöse an uns vorbei, und wir gingen weiter, am Heiler vorbei. Vor seiner Bude standen die Leute mit allerlei Wehwehchen Schlange. In meinem Rücken hörte ich das entsetzte Gurgeln eines Mannes, als man ihm den falschen Zahn zog. Der Jubel, der vor dem Stand der Puppenspieler herrschte, zog uns weiter: Das Schauspiel war in vollem Gange, und wir ließen uns mit den anderen Zuschauern im Gras nieder. Ein wenig konnten wir schon zusehen, ohne bezahlen zu müssen! Auf der Bühne sah ich eine Puppe, die eine runde, glitzernde Kappe trug und den russischen Doppeladler auf das Wams gestickt hatte. Das mußte der junge russische Zar sein! Das Spiel schien in einer Festung stattzufinden. Die Zarenpuppe machte gerade vor einem einfachen Soldaten halt, der ihm mit groben Worten den Durchgang versperrte.
    Der Mann neben mir lachte Tränen. Ich beugte mich zu ihm und fragte flüsternd: »Worum geht es? Ist das der Zar?«
    Er nickte und antwortete mit ebenso gedämpfter Stimme: »Ja – der Zar Peter wollte auf seinen Reisen vor zwei Jahren die Feste von Riga besuchen, und die Schweden haben es ihm nicht erlaubt! Ein einfacher Soldat hat den Zaren aller Russen aus den Mauern gejagt! Der König von Schweden meint –« hier zeigte er auf eine zweite Puppe, die auf einem Stuhl saß –, »das sei doch ganz gewöhnlich, aber der Zar soll noch immer vor Wut schäumen!«
    Er lachte noch einmal und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Spiel zu. Die Zaren-Puppe hatte nun einen Wutanfall und zertrat wild stampfend ihre Krone. Ich lachte laut mit den anderen und fütterte Anna mit den süßen Nüssen.
    In diesem Augenblick fiel ein Schatten auf mich.
    Eine Stimme sagte auf russisch: »Das ist das Mädchen.«
    Ich sah auf. Es war der Mann vom Fluß.
    Er stand dort mit seinen drei Begleitern und einer Gruppe Mönche. Er sah heute noch wohlhabender aus, in dieser Meute von uns Seelen, Bauern, Lumpen und Tagedieben, die wie wir in schlichtes, rauhes Leinen gekleidet waren. Sein langes Gewand war aus einem Samt in dunklem Grün geschnitten, und der tief geschnürte Gürtel war reich bestickt. Sein Bauch hing darüber. Der weite Kragen seines Mantels war trotz der warmen Frühlingssonne mit Pelz verbrämt. Elisabeth Rabe war schon auf ihre Füße gesprungen und zog mich mit sich hoch. Sie schob sich etwas vor mich. Einer der Mönche zeigte auf mich und fragte: »Elisabeth Rabe, ist das deine Tochter?«
    Sie schüttelte den Kopf und gab schmerzlich ehrlich Antwort: »Nein, otez .« Sie verwendete für den Mönch die ehrerbietige Anrede

Weitere Kostenlose Bücher