Die Zarin (German Edition)
sich nur um einen Irrtum handeln! Ich war doch Johannes, meinem Johannes, versprochen! Wie konnte da ein anderer Mann um meine Hand anhalten? Ernst Glück hatte doch hoffentlich abgelehnt?
»Ich habe ihm deine Lage wohl erklärt. Nun, du weißt ja: keine Eltern und auch keine Mitgift. Nicht einmal ein Familienname …« Er lächelte mich gütig an. »Er sagte, es sei ihm genug zu wissen, daß du unter unserem Dach lebst! Martha – um ehrlich zu sein, ich habe seinen Antrag in deinem Namen angenommen. Aber ich will auch von dir hören, daß du glücklich darüber bist! Sieh mal, etwas Besseres kann dir gar nicht passieren!« fügte er rasch hinzu.
Karoline nickte bestärkend. »So ein Glück, Kind, so ein Glück!« Sie legte einen Arm um mich und drückte mich herzlich.
»Aber – Ihr braucht doch meine Hilfe!« wagte ich einzuwenden. Der lächerlichste und einfachste Vorwand, der mir einfiel. Ich wagte nicht zu sagen: Ich liebe euren Sohn, und er liebt mich.
Karoline schüttelte den Kopf. »Nicht mehr so sehr, Martha. Ernst wird nun anfangen, auch Ulrike zu unterrichten. Johannes ist heute morgen abgereist – Ernst hat eine Stelle in einem Kontor in Pernau für ihn gefunden. Er mußte sich sofort auf den Weg machen. Alles ging furchtbar schnell, aber er schickt dir beste Grüße! Ostern wird er uns besuchen kommen, dann müssen dein Mann und du auch zu uns kommen. Und auch Friedrich wird bald das Haus verlassen …«
Johannes! Abgereist! Ohne sich von mir zu verabschieden! Beste Grüße! Er sandte mir beste Grüße nach unserer leidenschaftlichen Liebesnacht! Und Ostern konnte ich ihn wiedersehen. Ostern! Wie sollte ich bis dahin denn überleben, ohne ein Zeichen von ihm?
In Karolines Augen sah ich nur den Ausdruck von Wärme und Freundlichkeit. Sie hatte nicht den geringsten Verdacht. Zu meiner Verzweiflung spürte ich auch noch Tränen in meinen Augen aufsteigen.
»Ich weiß, das alles kommt so überraschend! Aber wir dachten, daß Ernst euch nach dem Dreikönigstag trauen kann! Und du kannst ihn morgen näher kennenlernen – wir haben ihn zur Abendsuppe gebeten! Du wirst sehen – er ist ein netter Mann.«
Ich nickte wie betäubt und stand auf. Karoline und Ernst Glück umarmten mich nun beide.
Irrte ich mich, oder tauschten sie einen schnellen Blick aus, ehe ich den Raum verließ? Ich schämte mich des Gedankens sofort. Konnte ich ihnen ungehorsam sein? Die Antwort, die tief aus meinem Herzen kam, war eindeutig: Ja!
In jener Nacht konnte ich nicht schlafen: Ich wartete den rechten Zeitpunkt zur Flucht ab. Ich konnte es mir nicht leisten, noch mehr Zeit im Hause Glück zu verlieren. Zweimal stand ich auf und begann, ein Bündel zu packen. Ich hatte fast all meinen Lohn gespart, und die ersten Fuhrwerke verließen Marienburg schon am frühen Morgen in Richtung Pernau. Zur Not wollte ich mich auch einfach zu Fuß auf den Weg machen. Mir war alles gleichgültig: sowohl der Bruch mit der Familie Glück als auch die Gefahren des Weges in Kriegszeiten. Ich wollte nur bei Johannes sein. Als ich zum dritten Mal aufstand und meine Kleider in ein großes, festes Tuch zum Bündel schnürte, hörte ich ein kratzendes Geräusch am Fenster. Ich drehte mich um. Wieder fielen einige kleine Steine dagegen: Ich hatte mich nicht getäuscht! Das konnte nur Johannes sein! Ich fiel fast über meine eigenen Füße, so eilig hatte ich es, dorthin zu kommen! In der vollkommenen Dunkelheit der Winternacht konnte ich nur die Umrisse eines Reiters ausmachen. Er hatte den Kragen seines Mantels hochgeschlagen und seinen Hut tief ins Gesicht gezogen. Dennoch, ich zweifelte keinen Augenblick: Johannes war gekommen, um mich zu holen.
Ich zerrte am Griff meines kleinen Fensters, aber das starke Schloß in der Bleiversenkung gab erst nach einem kräftigen Ruck nach. Er sprang vom Pferd und kam direkt an das Fenster.
»Martha!« wisperte er und schlang seine Arme um meinen Hals. »Ich muß gehen, aber ich wollte nicht, daß du denkst, ich verlasse dich ohne Gruß!«
Der Mond kam hinter einer Wolke hervor, und ich konnte nun sein Gesicht erkennen – ich sah seine blauen Augen und die gesunden, weißen Zähne in seinem schönen Mund. Den Mund, den ich noch auf meiner Haut spürte.
»Aber du nimmst mich doch mit nach Pernau, oder? Ich packe gerade! Laß mich meine Stiefel holen, dann kann ich hinter dir auf dem Pferd sitzen! Ich kann mich an dir festhalten!«
Er küßte mich und sah mich dann traurig an. »Nein, Martha, du kannst
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