Die Zarin (German Edition)
Hals, und ich hielt mein Tuch um mich gerafft. Ich wollte gar nicht daran denken, was mit mir geschehen würde, sollten die Russen mich greifen. Endlich erkannte ich die Umgebung des Rathauses. Dort, hinter der nächsten Ecke, öffnete sich der weite, gepflasterte Platz vor dem mächtigen Haus aus Stein, in dem Johann jetzt starb.
Ich drückte mich gegen eine Hauswand und übersah die Lage. Alles schien still zu sein. Ich holte tief Atem, um meinen Körper für den Lauf über den Platz zu straffen – und wurde im selben Augenblick grob zurückgerissen.
»Wen haben wir denn da?«
Ich sah zu meinem Entsetzen in drei grinsende Gesichter von russischen Soldaten. Ihre Uniformen waren schmutzig und zerrissen, keiner von ihnen hatte noch alle Zähne im Mund, und der, der mich am Arm hielt, hatte eine zerfetzte Binde über einem Auge. Seine Haare waren von Blut und Dreck verkrustet. Sie alle drei stanken überwältigend nach Schweiß und anderen widerlichen Körpersäften.
»Laß mich los! Nimm deine dreckigen Hände von mir! Ich muß ins Spital!« fauchte ich und versuchte, mich aus seinem Griff loszumachen.
»Ins Spital? Bist du eine Schwester oder eine Marketenderin, meine Hübsche? Dann hab’ ich hier was, um das du dich kümmern kannst!« Er lachte dreckig und drückt meine Hand gegen seine Hose. Ich schrie auf. »Ich muß sagen, von allen Mädchen, die ich hier in diesem Nest zu fassen bekommen habe, bist du das schönste! Und von denen hat sich keine beklagt!« Er machte eine eindeutige Bewegung und lachte wieder.
Er drückte mich mit den Schultern gegen die rauhe Holzwand hinter mir. Mein Tuch verrutschte dabei, und einige Splitter bohrten sich in die Haut meiner Arme. Ich schrie wieder auf. »Verdammt, halt die Wildkatze fest – ich will sie zuerst haben! Ich habe sie als erster gesehen!« knurrte er und preßte meine Fäuste gegen die Wand. Sein vor Lachen zuckender Mund preßte sich auf meine Lippen. Ich biß ihn, so hart ich konnte, in seine Lippen. Er fuhr zurück und wischte sich das Blut von der Lippe.
»Verflucht! Die Hexe hat mich gebissen! Na warte, dafür wirst du bezahlen!« Er schlug mich so hart ins Gesicht, daß mir einen Augenblick lang schwarz vor Augen wurde. Er riß nun grob meinen Rock herunter, und einer seiner Kameraden griff mich von hinten um den Leib und zwang meine Hüften nach oben. Die Hose des Soldaten hing ihm schon in den Knien, und er schob drei Finger tief in mich. Ich schrie auf vor Schmerz. Er lachte nur. Dann schob er sich mit einem einzigen, groben Stoß in mich. Der, der mich von hinten festhielt, bog mir meinen Kopf nach hinten und zwang mir seine stinkende Zunge in den Rachen. Ich spürte eine seiner Hände auf meinem Hintern. Ich schrie, bis mir die Stimme versagte. Ich war verloren in meinem Schmerz und wußte, daß dies die letzten Augenblicke meines Lebens sein mußten. Ich starb, wie Elisabeth Rabe es mir vorhergesagt hatte: verloren und verdorben. Hoffentlich hatte der große Gott wenigstens die Gnade, mich schnell sterben zu lassen. Meine Seele war bereit, sich von meinem Körper zu lösen.
In diesem Augenblick hörte ich wie durch einen Nebel aus Tränen, Blut und Schmerz den dritten Lumpen schreien: »Achtung! Berittene Garde!«
Mit diesen Worten lief er so schnell davon, wie seine krummen Tatarenbeine ihn tragen konnten. Die beiden anderen schrien auf, als ihnen eines mit einer groben Reitpeitsche übergezogen wurde. Der Mann ließ von mir ab, und ich wurde beiseite gestoßen. Ich sah, wie ein anderer Soldat meinem Peiniger zwei Kinnhaken rechts und links verpaßte. Er heulte auf und ging in die Knie. Ich krümmte mich in eine Ecke des Hauses, um nicht von den schweren Hufen der tänzelnden und schnaubenden Pferde getroffen zu werden.
Der Soldat mit der Peitsche zog die beiden Lumpen hoch und schlug ihre Köpfe mit einem gewaltigen Krachen zusammen.
»Steht stramm für Feldmarschall Boris Petrowitsch Scheremetjew, ihr Tagediebe! Ihr wißt, daß auf Schändung die Peitsche und die Galeere steht!«
Beide Männer torkelten durch die Wucht des Schlages, versuchten aber dennoch vor der hohen Gestalt auf einem der Pferde Haltung anzunehmen. Ich wischte mir Tränen, Rotz und meine wirren Haare aus dem Gesicht. Im weißen Licht konnte ich nur die Umrisse des Reiters, nicht aber sein Gesicht erkennen. Das war also General Scheremetjew, der sagenhafte Kriegsheld der Russen!
Mein Peiniger war noch so dumm zu sagen: »Das kann ja jeder behaupten, Scheremetjew zu
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