Die Zeit: auf Gegenkurs
ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich für Miss Vales Dienste als Stenotypistin bin. Wie überhaupt für die Gastfreundschaft und Aufmerksamkeit, die Sie mir erweisen.«
»Sind Sie wirklich der Anarch Peak?« fragte Ann Fisher ehrfürchtig. »Es ist so lange her … Empfinden Sie es auch so?«
»Ich weiß nur«, sagte der Anarch verträumt, »daß mir eine unschätzbare Gnade erwiesen wurde. Gott hat mir – und anderen – mehr offenbart, als er Paulus zuteil werden ließ. Ich muß alles festhalten.«
Er wandte sich an Sebastian. »Können Sie mir ein Tonbandgerät besorgen, Mr. Hermes? Ich fühle, wie ich vergesse … Es entgleitet mir, schwindet dahin.« Er ballte krampfhaft die Fäuste.
Sebastian sah Bob Lindy an. »Es muß doch möglich sein, ein Tonband aufzutreiben. Wir hatten doch ein Gerät; was ist damit?«
»Es ist defekt«, erklärte Lindy. »Ich habe es zur Reparatur gebracht.«
»Schon vor Monaten«, sagte Cheryl Vale kritisch.
»Nun«, brummte Lindy, »bisher hat niemand Zeit gehabt, sich darum zu kümmern. Wir können es morgen abholen.«
»Aber es entgleitet mir«, klagte der Anarch. »Bitte, helfen Sie mir.«
»Ich habe ein Tonband«, warf Ann Fisher ein. »In meiner Wohnung. Kein besonders gutes …«
»Beim Diktieren«, sagte Sebastian, »spielt die Aufnahmequalität keine große Rolle.« Er traf eine schnelle Entscheidung. »Kannst du es hierherbringen?«
»Vergessen Sie die Bänder nicht«, sagte Lindy. »Wir brauchen etwa zwölf Achtzehn-Zentimeter-Spulen.«
»Liebend gern«, versicherte Ann Fisher mit leuchtenden Augen. »Daß ich bei so etwas Wundervollem helfen kann …« Sie drückte kurz Sebastians Arm und wandte sich dann zum Ausgang. »Du läßt mich doch herein, wenn ich mit dem Gerät zurückkomme, nicht wahr?«
»Wir brauchen es«, beruhigte Bob Lindy sie. Er sah Sebastian an. »Der Alte redet so schnell, daß Cheryl beim besten Willen nicht mitkommen kann; wie ein Wasserfall.« Verwundert fügte er hinzu: »Keiner von den anderen hat soviel geredet. Die meisten stottern eine Weile herum und geben dann auf.«
»Er möchte verstanden werden«, sagte Sebastian. Er will erreichen, erkannte er, was ich erreichen wollte – und was ich, wie die anderen, schließlich aufgegeben habe. Er wird uns so lange umschmeicheln und bedrängen, bis wir es festhalten können. Es beeindruckte ihn. Und als er Ann Fisher hinaus auf die Straße führte, sah er an ihrem fiebrigen, leuchtenden Gesichtsausdruck, daß auch sie beeindruckt war.
»In einer halben Stunde«, verabschiedete sie sich und ging davon; ihre hohen Absätze klapperten auf dem Asphalt; er sah, wie sie ein Schwebetaxi heranwinkte, und dann schloß er die Tür und sperrte sie wieder ab.
Dr. Sign saß in einer Ecke und ruhte sich aus. »Ich bin überrascht«, sagte er zu ihm, »daß Sie diese Frau hergebracht haben.«
»Sie ist eine Frau«, erklärte Sebastian, »die vor neun Monaten ein Baby empfangen hat und heute mit mir ins Bett gegangen ist. Sie wird ihr Tonband holen, es hier lassen, und wir werden sie wahrscheinlich nie wiedersehen.«
Das Vidfon klingelte.
Sebastian hob eine Braue und griff nach dem Hörer. Vielleicht war es Lotta. »Auf Wiedersehen«, meldete er sich hoffnungsvoll.
Auf dem Bildschirm erschien das Gesicht eines unbekannten Mannes »Mr. Hermes?« Er sprach langsam, extrem methodisch. »Ich werde mich nicht vorstellen, da dies nicht notwendig ist. Mein Kollege und ich überwachen von der anderen Straßenseite aus Ihr Vitarium.«
»Oh?« machte Sebastian; er zwang sich zur Ruhe. »Und?«
»Wir haben das Mädchen fotografiert, als Sie mit ihr das
Haus betreten haben«, fuhr der Mann fort. »Die junge Frau, die soeben mit einem Taxi davongeflogen ist. Wir haben das Foto nach Rom übermittelt und es durch unser Archiv überprüfen lassen. Das Ergebnis wurde uns soeben aus Rom durchgegeben.« Der Mann blickte auf ein Blatt Papier; es verbarg sein Gesicht, während er vorlas. »Sie heißt Ann McGuire; sie ist die Tochter der Chefbibliothekarin der Stadtbibliothek. Der Löschungsrat setzt sie von Zeit zu Zeit in diesem Gebiet ein.«
»Ich verstehe«, sagte Sebastian mechanisch.
»Man ist Ihnen also auf die Spur gekommen«, schloß der Mann. »Sie müssen den Anarchen sofort wegschaffen und woanders unterbringen. Bevor sie eine Blitzrazzia durchführen können. Die Löschungsräte, meine ich. In Ordnung, Mr. Hermes?«
»In Ordnung«, nickte er und legte auf.
Schließlich sagte Dr. Sign:
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