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Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)

Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition)

Titel: Die Zeit des Schweigens ist vorbei (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mandy Kopp
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Arm. Die Hände auf die Lehnen meines Sessels gestemmt, sah er mich durchdringend an. »Na? Was ist?«
    Ich war so voller Angst, dass ich seine Frage verneinte. Wir würden ja alles tun, was er von uns verlangte, nur solle er bitte, bitte nicht mehr wütend sein und mir nicht wieder weh tun.
    Kugler schnaubte laut durch die Nase, strich mir über den Kopf und setzte sich wieder. »Dann ist ja alles klar.«

Jasmin
Eine einfache Tür, meine Höllenpforte
Pandoras Büchse wurde geöffnet mir
Hineingetaucht und leer der Worte
Gehalten und gefangen wie ein Tier
    Lea und ich sollten auf der Straße arbeiten, auf einem bestimmten Abschnitt in der Lütznerstraße. Kuglers Revier. Den »Luxus«, in der warmen Wohnung »arbeiten« zu dürfen, den müssten wir uns erst verdienen. Es sei ganz einfach: Wenn ein Wagen hielt, sollten wir fragen, was der Fahrer wollte. Die Details sollten uns die anderen Mädchen erklären. Französisch gab’s für fünfzig Mark, das volle Programm für hundert, alles nur mit Gummi. Sonderwünsche kosteten extra. Französisch sollten wir gleich an Ort und Stelle machen, bei Geschlechtsverkehr sollten wir unseren Aufpassern ein Zeichen geben. Sie würden dann entscheiden, ob wir zu einem ruhigen Plätzchen fahren oder den Kunden in die Merseburger Straße lotsen sollten. Pro Woche müssten wir tausend Mark bei ihm abliefern – »um meine Kosten zu decken«, wie er sagte. Wenn wir mehr verdienten, dürften wir den Rest für uns behalten. Und wenn wir fleißig sparen würden und dreitausend Mark zusammenhätten, könnten wir uns »freikaufen«. »Wenn ihr das dann noch wollt. So einfach kommt ihr nie wieder zu Kohle, das haben die anderen auch ganz schnell gemerkt. Keine ist bislang gegangen …« Wenn wir den Wochenbetrag nicht zusammenbekämen, sei das nicht weiter schlimm, der fehlende Betrag würde uns einfach als Restschuld auf die nächste Woche übertragen. Alles ganz transparent, alles ganz fair.
    »Aber das Wichtigste …«, er beugte sich nach vorne und sah uns eindringlich an. »Kein privates Wort mit den Kunden, kein Wort über euch, wer ihr seid, wo ihr wohnt. Und vor allem nicht über euer Alter. Wenn jemand fragt, seid ihr achtzehn. Ich allein entscheide, wann ihr euer richtiges Alter nennt und wann nicht.«
    Es war eher ein Befehl als eine Erklärung.
    Damit wir nicht auf dumme Gedanken kämen, würde er hin und wieder ein paar Testkunden zu uns schicken, seine Leute, und von denen gebe es eine Menge. Fluchtversuche seien zwecklos. Wir würden jeden Tag in einem Wagen zur »Arbeit« gebracht werden, seine Männer würden uns nicht aus den Augen lassen und am Ende auch wieder »nach Hause« bringen. »Ich will ja nicht, dass euch etwas passiert!«
    Falls wir doch Blödsinn machen würden, hätten alle die Konsequenzen zu tragen. Wenn er uns in die Finger bekäme, würden wir uns wünschen, diesen Tag nie erlebt zu haben.
    »Aber wenn ihr euch an die Regeln haltet und schön brav seid, kommen wir sicher bestens miteinander aus.«
    Amen. Kuglers zehn Gebote. Im Namen der Gewalt, des Missbrauchs und der Schändung. Ich knetete die ganze Zeit über meine Finger, bis die Knöchel weiß hervortraten. Das musste ein böser Traum sein, aus dem ich jeden Moment aufwachen würde. Der Wert eines Menschen bemaß sich für Kugler in der Summe von dreitausend Mark. »Freikaufen« hatte er gesagt, als hätten wir eine Schuld bei ihm abzutragen. Die einzige Schuld, die wir hatten, war unsere Naivität gewesen. Auf der Suche nach einem Schlafplatz in einem Puff gelandet. Was sonst sollte diese Wohnung sein? Aber was wusste ich schon, ein Bordell kannte ich nur aus dem Fernsehen. Da gab es grellbunte Leuchtreklamen, blinkende Herzchen, die Läden hießen »Eros-Center« oder »Pussy-Club«. Das hier war eine stinknormale Wohnung in einem stinknormalen Wohnhaus. Für mich ging das alles nicht zusammen. Die Nachbarn mussten doch mitkriegen, was hier abging. Acht Wohnungen, acht Parteien, Leute mit Kindern, die über Monate hinweg schwiegen.
    Nachts war es schon immer wieder sehr laut, Türen flogen, Männer grölten. Aber beschwert haben wir uns nie. Und eine andere sagte: Die Mädchen kamen mir schon sehr jung vor. Aber ich wollte mich nicht einmischen. Das stand am 12. Februar 1993 in der Zeitung.
    Kugler rief Trixi und Jasmin ins Wohnzimmer und gab ihnen Anweisungen. Was wir anzuziehen hätten, dass sie mit uns üben sollten, auch was Sonderwünsche anging. »Die beiden sind ja noch frisch … Ihr

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