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Die Zeit-Odyssee

Die Zeit-Odyssee

Titel: Die Zeit-Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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da, die Mazedonier zu einer Verfolgung zu
verführen. Sie wären bereit und in der Lage gewesen,
sich, wenn nötig, tagelang immer weiter zurückzuziehen
und so Alexanders Streitkräfte zu ermüden und zu
zersplittern, bis zu dem Moment, wo die Falle endgültig
zuschnappte. Seine Freunde aus der Zukunft hatten Alexander davon
erzählt, wie die Mongolen einst mit genau dieser Taktik des
Hinter-sich-her-Lockens ein christliches Ritterheer in Polen
aufgerieben hatten; aber Alexander hatte selbst schon gegen
skytische Reiter gekämpft, die auf die gleiche Weise
vorgingen. Das hatte ihm gereicht; weitere
Überzeugungsarbeit war nicht nötig gewesen.
    Außerdem spielte Alexander seine eigenen Schliche und
Tricks aus. Die Hälfte seiner Infanterie und die ganze
Kavallerie befand sich immer noch verborgen innerhalb der
Stadtmauern, und auch sämtliche Waffen des neunzehnten und
einundzwanzigsten Jahrhunderts warteten darauf, eingesetzt zu
werden. Es konnte funktionieren. Man hatte zwar mongolische
Späher in der Umgebung von Babylon gesichtet, aber es gab
wohl kaum eine Möglichkeit für die Spione des Khans,
sich heimlich und ohne erkannt zu werden in die Stadt zu
schleichen.
    Ungeachtet der angespannten Bereitschaft der Verteidiger
Babylons kamen die Mongolen an diesem Tag nicht wieder.
    Als die Nacht hereinbrach, waren am Horizont in einer langen
Linie, die sich von Norden nach Süden erstreckte, als
würde sie die Welt umfassen, zahllose Lagerfeuer zu sehen.
Das unbehagliche Gemurmel der Männer angesichts der offenbar
enormen Größe der mongolischen Armee sprach eine
deutliche Sprache. Wie würden sie erst erschrecken, dachte
Abdikadir, wenn sie wüssten, dass man mitten in den langen
Reihen mongolischer Jurten die unverwechselbare Kuppelform einer
Raumkapsel ausgemacht hatte?
    Doch Alexander selbst schritt ins Lager, Hephaistion und
Eumenes an seiner Seite. Der König hinkte leicht, doch Helm
und eiserner Brustpanzer glänzten wie Silber. Für jeden
seiner Soldaten, an dem er vorbeikam, hatte er ein Scherzwort; es
war nur ein großer Schwindel der Mongolen, versicherte er
ihnen, wahrscheinlich hatten sie für jeden ihrer
Kämpfer zwei oder drei Lagerfeuer angefacht – es war
doch allgemein bekannt, dass sie schon mit ausgestopften Puppen
auf ihren Reservepferden in die Schlacht gezogen waren, um den
Feind irre zu machen! Aber Mazedonier waren natürlich viel
zu gerissen, um auf solche Tricks hereinzufallen! Wohingegen er,
Alexander, nur wenige Lagerfeuer gestattet hatte, sodass die
Mongolen die Truppenstärke ihres Gegners weit
unterschätzen mussten – so wie sie weder die heroische
Tapferkeit noch den unbeugsamen Kampfeswillen der Mazedonier auch
nur annähernd ermessen konnten!
    Selbst Abdikadir spürte, wie er von neuem Schwung erfasst
wurde, als der König vorbeikam. Was für ein
bemerkenswerter Mann, dachte er – wenngleich, so wie
Dschingis Khan, ein erschreckender.
    Mit der Kalaschnikow an seiner Seite und zusammengerollt unter
seinem Poncho und einer kratzigen britischen Militärdecke
versuchte Abdikadir zu schlafen.
    Er fühlte sich sonderbar ruhig. Diese Konfrontation mit
den Mongolen hatte seine Entschlossenheit verstärkt. Es war
eine Sache, die Mongolen auf abstrakte Weise, als ein Blatt im
verstaubten Buch der Geschichte, zu kennen, und eine ganz andere,
ihre alles vernichtende Grausamkeit in Fleisch und Blut zu
sehen.
    Die Mongolen hatten dem Islam schweren Schaden zugefügt.
So waren sie etwa in dem reichen islamischen Staat Chwarezm
eingefallen, einer uralten, seit der Mitte des siebenten
Jahrhunderts vor Christus existierenden, stabilen Nation. Genau
genommen war auch Alexander der Große auf seinem Streifzug
quer durch Eurasien mit diesem Reich in Berührung gekommen.
Doch es waren die Mongolen, die seine im späteren
Afghanistan und Nordpersien gelegenen prachtvollen Städte
plünderten – von Herat über Kandahar bis
Samarkand. So wie Babylonien war auch das Reich Chwarezm auf der
Grundlage ausgeklügelter unterirdischer
Bewässerungssysteme aufgebaut, die seit der Antike
überlebt hatten. Diese Systeme – und damit Chwarezm
– wurden von den Mongolen zerstört, und manche
arabische Historiker behaupteten, dass sich die Wirtschaft der
ganzen Region seither nie mehr erholt hätte. Geschehnisse
wie diese hatten die Seele des Islam für immer
verdunkelt.
    Abdikadir war kein Eiferer in seinem Glauben, doch nun
entdeckte er

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