Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Zeitreisenden in Callahans Saloon

Titel: Die Zeitreisenden in Callahans Saloon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spider Robinson
Vom Netzwerk:
Geräusch von glasig werdenden Augen: der menschlichen Fassungskraft sind eben Grenzen gesetzt. Dann holte Longdrink Luft und versprühte Whisky wie eine Zwei-Meter-Sprühdose, und plötzlich brüllten wir alle vor Lachen, bis unsere Augen tränten und wir Seitenstechen hatten. Die Dachbalken bogen sich vor Fröhlichkeit, die Spannung hatte sich in Wohlgefallen aufgelöst.
    »Mein Gott«, stöhnte der Doc, wischte sich die Augen und hielt sich den gewaltigen Bauch, »seit zwanzig Jahren hat mir niemand das letzte Wort abgenommen.« Er schüttelte immer noch kichernd wehmütig den Kopf.
    »Lady«, erklärte Callahan bedeutungsvoll, »Sie sind in Ordnung.« In seinem Bariton lag Achtung und seltsame Befriedigung. Sie nickte und trat ein.
    An der Theke hatten sich gerade noch die Gäste gedrängt, aber als sie sie erreichte, hätte sie dort einen Lastwagen parken können. Sie suchte sich in aller Ruhe einen Stuhl aus, setzte sich graziös und stieß einen erstaunten, entzückten Laut aus. »Ich hätte nie geglaubt, daß es einen so hohen Lehnstuhl gibt«, wandte sie sich an Callahan, während sie die Handtasche auf die Theke legte.
    »Ich halte nichts von Barhockern«, setzte ihr Callahan auseinander. »Ein Mann muß sich wohl fühlen, wenn er trinkt.«
    »Ein Mann?« fragte sie anzüglich.
    »Oh, eine Frau sollte sich immer wohl fühlen«, meinte er feierlich. »He, Eddie.«
    »Ja, Boß?«
    »Mach das Fenster auf. Hier riecht es nach Pech und Schwefel.«
    Sie lief rot an.
    Ich sah zu Eddie hinüber und stellte erstaunt fest, daß er Mike anfunkelte, statt zu grinsen. Mein Gott, dachte ich erschüttert, den Schnellen Eddie hat es erwischt. Ich hätte es nicht für möglich gehalten; seit Eddies Frau sich vor etlichen Jahren von ihm hatte scheiden lassen, war er überzeugter Junggeselle gewesen.
    »Touché«, gab sie schließlich zu. »Ich habe nicht das Recht, Ihre Ausdrucksweise zu kritisieren. Tut mir leid.«
    »Kein Problem«, versicherte ihr Callahan ernst. »Ich heiße Mike.« Er hielt ihr seine große, schwielige Pranke entgegen.
    Sie schüttelte sie genauso ernst. »Ich heiße Rachel.«
    »Und was möchten Sie, Rachel?«
    »Einen Bourbon, bitte.«
    Callahan nickte, drehte sich um und mixte I. W.  Harper und Eiswürfel in einem Glas. Sie öffnete die Handtasche, nahm eine Brieftasche heraus und aus dieser eine Fünf-Dollar-Note, die sie auf die Theke legte. Ich stellte zu meiner Überraschung fest, daß ich redete. »Leider können Sie diese Banknote hier nicht verwenden, Rachel.« Erstaunlicherweise war meine Zunge nicht gelähmt.
    Sie wandte sich mir zu, ich sah ihre Augen zum ersten Mal aus der Nähe, und meine Zunge kündigte prompt wieder ihren Dienst auf. Ich kann diese Augen nicht beschreiben, ich kann nur feststellen, daß sie unglaublich alt wirkten, älter als Augen sein können. Natürlich lag Schmerz in ihnen – die meisten Menschen, die das Schicksal in Callahans Saloon führt, haben traurige Augen, wenn sie zum ersten Mal kommen –, aber hinter dem Schmerz lag unendliche Müdigkeit, schreckliches, uraltes Wissen, das keine Befriedigung gebracht hat. Mein Gedächtnis schaltete auf Schnellgang, und mir fielen die einzigen vergleichbaren Augen ein, die ich je gesehen hatte: meine Großmutter, die vor zwanzig Jahren an Krebs gestorben war.
    »Wie bitte?« fragte sie höflich, und ich versuchte vergeblich, von ihrem Blick loszukommen. Tom Flannery merkte, daß ich mich in Schwierigkeiten befand, und kam mir zu Hilfe.
    »Jake hat recht, Rachel. Callahan glaubt unter anderem auch nicht an Registrierkassen. Er nimmt nur Ein-Dollar-Noten.«
    »Wollen Sie damit sagen, daß hier alles einen Dollar kostet?« fragte sie erstaunt.
    »O nein«, widersprach Tom. »Alles kostet hier fünfzig Cent. Dort drüben steht eine Zigarrenkiste voller Vierteldollar, und wenn Sie fortgehen, holen Sie sich aus ihr das Wechselgeld ... falls Sie Ihr Glas auf der Theke stehen lassen.«
    »Welche Alternative habe ich?« erkundigte sie sich beunruhigt, während Callahan ihren Drink vor sie stellte.
    »Sie können Ihr Glas auch im Kamin zerschmettern«, erklärte er heiter. »Tut manchmal ungeheuer gut. Es ist gut und gerne seine fünfzig Cent wert.«
    Ihr Gesicht strahlte auf. »Vor langer Zeit«, meinte sie nachdenklich, »habe ich ein Haus gekauft, nur damit ich in ihm Geschirr zerschmeißen kann. Ich glaube, Ihr Lokal gefällt mir, Mike.«
    »Ich teile ganz Ihre Ansicht.« Er schenkte sich ein Bierglas voll Whisky ein.
    »Auf

Weitere Kostenlose Bücher