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Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Titel: Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Amend , Daniel Meyer
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ist in Berlin. Außerdem ist er auch krank. Er hat Grippe und liegt im Bett. Selbst wenn er käme, die Ärzte würden ihm nicht erlauben, dich zu sehen. Du hast gerade ein sehr schwaches Immunsystem und musst erst wieder zu Kräften kommen.«
    Ich machte mir Sorgen wegen Lars. Er brauchte dringend jemanden, der sich um ihn kümmerte und ihn lieb hatte, wenn ich mal nicht da war.
    »Richtest du ihm bitte gute Besserung von mir aus, ja? Und sag ihm, dass seine Gesundheit natürlich vorgeht. Ja, versprochen?«
    Meine Mama versprach es und ging aus dem Zimmer. Ich legte meine rechte Hand auf mein Herz und zählte die Schläge. Noch hielt es. Die Herzmaschine, an die ich angeschlossen war, gab keine Warnsignale von sich. Ich versuchte, Ruhe zu bewahren. Hoffentlich werde ich wieder gesund, dachte ich. In einer Woche fahre ich doch nach Berlin. Ich muss ganz dringend gesund werden. Bitte, lieber Gott, tu mir den Gefallen. Nur diesen einen. Dann wurde ich müde. Ich hatte nicht genug Kraft, um meine Augen offen zu halten, und immerzu dagegen ankämpfen wollte ich auch nicht mehr. Als ich wieder aufwachte, saß Mama im grünen Krankenschwesternkittel und mit Mundschutz neben mir auf einem Stuhl und hielt meine Hand. Ihre Augen waren ganz rot und ihre Schminke vermischte sich mit ihren Tränen. Hätte sie ihre schwarzen Ausgehklamotten angehabt, hätte sie sofort mit Wiebke auf eine ihrer Gothik-Partys gehen können. Mama verzog keine Miene und sagte, dass ich die nächsten fünf Tage im Krankenhaus bleiben müsse. Anweisung vom Chefarzt. Das war die schlimmste Nachricht der Welt. Ich flippte völlig aus, zappelte wild umher und schrie so laut, dass mein Herz zu brennen begann und ich husten und spucken musste. Das Herz auf der Herzmaschine begann rot zu blinken und ein Alarmsignal ertönte. Dann hatte ich keine Kraft mehr, um mich aufzuregen und sackte zusammen. Mama war vor Schreck vom Stuhl aufgesprungen, und eine Krankenschwester kam ins Zimmer gerannt. Mama sprach mit ihr, und ich verkroch mich unter der Decke und dachte an meinen Mathelehrer. Wenn ich mich nicht verrechnet hatte, grübelte ich, könnte es gerade noch klappen: Freitag = 1 Tag, Samstag = 2 Tage, Sonntag = 3 Tage, Montag = 4 Tage, Dienstag = 5 Tage. Unser Zug fuhr am Donnerstag. Noch war Berlin nicht verloren.
    Mama konnte nicht bei mir bleiben, weil sie keine Kleider zum Wechseln dabei hatte und ich in dem Einzelzimmer in einem sehr schmalen Bett lag. Da passte sie nicht mit rein. Ich wollte sie nicht gehen lassen, aber dann war Mama weg und ich ganz alleine. Ich drückte Josi, aber es half nichts. Niemand war da, um mich lieb zu haben, und die schrecklichen Erinnerungen kamen zurück, die Bilder aus Südafrika, die …
    Ich bekam eine Angstattacke, rief nach meiner Mama, aber sie antwortete nicht. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie lange ich so verharrte, aber als ich den Namen von Lars auf meinem Handydisplay sah, weinte ich immer noch. Die ersten Minuten konnte ich gar nicht verstehen, was er sagte, weil mein Schluchzen alles andere übertönte.
    »Ich, ich, ich … ich hab dich so lieb«, stotterte ich.
    »O Gott, Daniel, was ist los?«
    Ich erkannte an seiner Stimme, dass er sich Sorgen machte, und ich wollte ihm sagen, dass ich gerade ganz viel Angst hatte, aber ich war zu durcheinander. Ich musste erst mit Mama sprechen. Ich konzentrierte mich und sagte: »Ich ruf kurz Mama an, okay?«
    »Alles klar, mein Kleiner. Schreib mir ’ne SMS, dann ruf ich dich wieder zurück. Abgemacht?«
    »Okay.«
    Ich rief Mama an, und sie versprach mir hoch und heilig, morgen früh gleich wieder zu mir zu kommen, und dann war alles wieder gut. Ich schrieb Lars eine SMS: Ruf mich jetzt an. Du hast zehn Sekunden. Ich legte mein Handy auf die Decke und begann zu zählen: Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun.«
    Es klingelte. Ich drückte auf die grüne Taste und sagte: »Du hast gerade noch so Glück gehabt.«
    »Wo war ich?«, lachte Lars.
    »Bei neun.«
    »Perfektes Timing. Also, was war eben los?«
    »Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll.«
    »Versuch’s einfach. Und nur die Ruhe. Wir haben alle Zeit der Welt. Okay?«
    »Okay.«
    »Ich bleibe so lange am Telefon, wie du willst. Okay?«
    »Ja, okay.«
    »Und jetzt sortierst du kurz deine Gedanken, atmest langsam ein und aus und dann erzählst mir ganz langsam alles, was dir auf dem Herzen liegt.«
    »Als ich fünf Jahre alt war«, begann ich, »und wir noch eine Familie waren,

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