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Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition)

Titel: Dieses Leben, das wir haben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lionel Shriver
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meiner Galerie ausstelle«, sagte Ruby gerade zu Shep. »Warum kann sie nicht endlich Ruhe geben?«
    »Früher oder später kriegt ihr beide euch doch immer über Navajo & Co. in die Haare«, sagte Shep.
    »Irgendwann demnächst gibt es vielleicht kein ›später‹ mehr. Das ist es ja gerade. Es wird Zeit, die Sache zu begraben. Könnte sie unter den Umständen nicht auch Deb gegenüber ein bisschen nachsichtig sein? Wenigstens etwas sagen wie: Ich habe eben meine eigene Form der Spiritualität, und die unterscheidet sich vielleicht viel weniger von deiner, als du denkst . Du weißt schon, ihr ein bisschen entgegenkommen.«
    »Und, ist Glynis dir jemals ›entgegengekommen‹, Deb?«, fragte Shep.
    »Sie hatte immer nur Verachtung übrig für meinen Glauben«, sagte Deb.
    Shep lehnte sich zurück und schob die Speisekarte über die beschichtete Oberfläche. »Ihr wollt jetzt, dass alles anders ist. Dass alle wunden Punkte verheilen. Ich kämpfe gegen denselben Impuls an. Wir wollen alle dafür sorgen, dass unsere Beziehung zu Glynis in einen, wie mein Vater sagen würde, Zustand der Gnade eintritt. Damit wir ruhig schlafen können, wenn’s zum Äußersten kommt. Aber vielleicht muss man es andersrum sehen, und Glynis will gar nicht, dass alles anders ist.«
    »Warum sollte Glynis nicht wollen, dass unsere Beziehung zu ihr in einen, wie du sagst, ›Zustand der Gnade‹ kommt?«, fragte Ruby. »Es ist doch auch in ihrem Interesse.«
    »Auf einer Ebene – einer viel tieferen, als ihr euch alle vorstellen könnt – ist sich Glynis darüber im Klaren, dass sie vielleicht bald überhaupt keine Interessen mehr haben wird. Also ist ihr einziges momentanes Interesse das Hier und Jetzt.«
    »Versteh ich nicht«, sagte Ruby.
    »Habt ihr drei euch denn nicht schon immer gezankt?«
    »Ja! Doch jetzt sollten wir einen Schlussstrich ziehen, es dabei bewenden lassen!«
    »Glynis versucht doch nur, sich an dem festzuhalten, was sie hat. Und die Beziehung ist nun mal so – wie sie ist.«
    Jackson lachte schallend. » Das aus deinem Mund!« Unerschöpflichen Unterhaltungswert bot Randy Pogatchniks Liebe zur Tautologie (»Es ist, was es ist, Mann!« oder »Die Leute sind nun mal so, wie sie sind«), wobei er der Illusion aufsaß, jeweils tatsächlich etwas Tiefgründiges von sich zu geben.
    »Stimmt, ich muss wohl müde sein«, sagte Shep.
    »Aber ich weiß schon, was du meinst«, sagte Jackson. »Sie hält sich an Inhalten fest. Auch ein beschissener Inhalt ist immerhin noch ein Inhalt. Würde sie zu einer kitschigen Grußkarte verkommen, wäre es nicht mehr Glynis, wie sich Glynis selbst wahrnimmt. Das wär fast, als würde sie früher als geplant sterben.«
    »Ich wünschte mir trotzdem, sie würde auch an uns denken«, sagte Deb. »Nach allem, was du über diese Zellen erzählt hast, Shep.« Wieder traten ihr die Tränen in die Augen. »Diese … sarmakoiden Zellen, oder wie sie heißen. Wer weiß … jedes Mal, wenn wir sie besuchen, könnte es das letzte Mal sein … dann wäre da aber eine Menge Galle und Missmut, an die wir uns erinnern müssten!«
    »Tja«, sagte Shep lächelnd. »Das heißt doch nur, dass ihr euch an eure Schwester erinnern müsstet, wie sie wirklich war.«
    »Und, meinst du, dass ihr die Kekse schmecken?«, fragte Ruby, als ihr Kaffee kam.
    Shep blickte über den Rand seiner Tasse und zog die Augenbraue hoch. »Wird schwierig.«
    »Ich hatte schon etwas Bedenken wegen der Paranüsse und Schokolade … Ganz schön mächtig, wenn die Verdauung nicht richtig funktioniert.«
    »Das könnte man so sagen«, sagte Shep.
    »Mama nimmt keine Rücksicht auf das, was Glynis wirklich will, oder?«
    »Ganz genau.« Sheps Augen leuchteten. »Ich denke, genau das ist der Punkt.«
    »Mama war schon immer so«, sagte Deb. »Sie sagt, man soll immer das schenken, was man selbst gern hätte.«
    »Daher also die Trockenblumengestecke und karierten Schürzen«, sagte Shep. »Die haben Glynis auch nie allzu sehr gefallen. Und die Topflappensets zum Selbermachen waren eine Katastrophe.«
    »Mama wollte Glynis gar keine Kekse schenken; sie wollte sie nur backen«, sagte Ruby. »Und der ganze Stress tut mir wirklich leid.« Sie wandte sich zu Jackson und erklärte: »Nachdem sie sich dieses Projekt in den Kopf gesetzt hatte, mussten wir in den Supermarkt schicken, und dann noch ein zweites Mal, weil sie die Paranüsse vergessen hatte. Beim A&P gab’s keine Paranüsse, also mussten wir extra in den Bioladen nach Scarsdale

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