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Doktor im Glück

Doktor im Glück

Titel: Doktor im Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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aussah, wie ich im Pyjama in die Halle hinunterrannte, während alle Welt in Frack und Abendrobe zur Oper strebte. Solange der ärztliche Betreuer ein Bursche wie ich war, mochte es ja hingehen, doch wenn Lord Nutbeam wirklich den Vorsitzenden des Königlichen Ärztekollegiums berufen hätte, würden diese kleinen Episoden wahrscheinlich nicht in allgemeinem herzlichem Gelächter geendet haben.
    «Aber wir werden trotzdem eine Menge Spaß haben», fuhr Seine Gnaden fort. «Ich werde den Auftrag geben, eine lebensgroße Statue von Miss Madder in Eiscreme anzufertigen, die wir dann aufessen können. Und der reizende südamerikanische Gentleman hat mir versprochen, mich den ganzen Abend die Kapelle dirigieren zu lassen, wenn ich will. Es wird bestimmt sehr lustig werden.»
    Ich war nun ebenso erpicht wie der alte Nutbeam, daß Petunia sich allerseits freimache und zur Party komme. Schon als Pet Bancroft war sie stets ein sehr repräsentables Mädel gewesen, das man ruhig in seinen Freundeskreis einführen konnte — außer sie war gerade in der Stimmung, Kellner zu beißen —, aber nun hatte ich das Gefühl, daß man als richtiger Allerweltskerl galt, wenn man mit Melody Madder eine Runde tanzte. Das Komische an der Sache war, daß ich jetzt gar nichts dagegen gehabt hätte, Melody Madders Gatte zu werden, wogegen ich seinerzeit gar nicht scharf darauf gewesen war, Petunia Bancroft zu heiraten. Freud hat wohl recht, wenn er meint, das Glück der Erwachsenen bestehe darin, die Sehnsuchtsträume der Kindheit erfüllt zu sehen; ich hatte mir stets gewünscht, einen Filmstar zu heiraten, für England auf Lord's Cricketplatz zu siegen und den Schulrekord von vierundzwanzig Portionen Erdbeereis auf einem Sitz zu schlagen. Der einzige Haken daran war, daß mir die Vorstellung nicht sehr behagte, allabendlich mit einer GmbH zu Bett zu gehen.
    Ich vertrödelte den folgenden Tag mit der Besichtigung einiger Filme, deren Helden durchweg aus Bauern und Fabrikarbeitern bestanden und das Leben in den schwärzesten Farben sahen, dann legte ich meinen Tropenfrack an und wanderte zu Lord Nutbeams Party. Und da war auch schon wahrhaftig Petunia, deren Sex-Appeal alle Nähte ihres Kleides sprengte.
    «Miss Madder», ich verbeugte mich tief, «darf ich um die Ehre dieses Tanzes bitten?»
    «Gaston, Darling! Aber ich muß dich zuerst Sir Theodore vorstellen.»
    Ich hatte natürlich schon vom obersten Finanzgott der Union Jack Films gehört; im allgemeinen gipfelten seine Reden nach achtgängigen Banketten darin, daß er vor dem Bankrott stehe.
    «Wie ist er denn?» fragte ich.
    «Oh, ganz angenehm und leutselig. Sofern du an den Umgang mit Kommissaren in sibirischen Salzbergwerken gewöhnt bist.»
    Ich fand ihn bei einem Glas Orangensaft sitzen; er sah aus wie ein Orang-Utan, der an einer quälenden Hautkrankheit leidet.
    «Du kennst doch natürlich Quinny Finn?»
    Natürlich, jedermann kannte Quintin Finn. Man sieht ihn andauernd auf der Leinwand, in einen Dufflecoat gehüllt und Rufe ausstoßend wie: Periskop hoch! Bomben ausklinken! oder: Los Jungens, mir nach durchs Minenfeld! In Wirklichkeit war er ein kleiner, klappriger Kerl, der nach Parfum roch.
    «Und hier: Adam Stringfellow.»
    Ich hatte mir Filmmanager stets als lärmende Burschen mit langen Zigarren vorgestellt, aber dieser war ein magerer, großer, düsterer Geselle mit Bart, ein Abbild Thomas Carlyles.
    Alle schüttelten mir umgänglich die Hand, und ich fühlte mich in meinem Element, hatte ich doch stets eine Schwäche für das Theater gehabt. Schon fragte ich mich, ob die liebe Pet vielleicht ihre in Porterhampton zutage getretene Leidenschaft für mich bewahrt habe, als sie meinen Gedankengang mit den Worten unterbrach:
    «Ich lege besonderen Wert darauf, daß du Mr. Hosegood kennenlernst.»
    Petunia wies auf den dicksten Mann, den ic^ je außerhalb der Klinik für Fettsüchtige sah. Er hatte eine Glatze, einen Schnurrbart von der Form eines zerquetschten Käfers und eine Taille, die, gleich dem Äquator, eine rein imaginäre Linie war, in gleichem Abstand zu den zwei Polen verlaufend.
    «Mein künftiger Gatte», sagte Petunia abschließend. «Wollen wir jetzt tanzen, Gaston?»
    Fast wäre ich umgefallen. Schon die Feststellung, daß Petunia bereits verlobt war, bedeutete einen erheblichen Schock für mich. Doch dieses prächtige Mädel lebenslänglich an solch eine Ausgeburt mangelnden Stoffwechsels gefesselt zu wissen, schien mir nicht nur tragisch, sondern

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