Doppelspiel
öffentlichen Weg führte. Sie fand denselben toten Winkel im Sichtfeld der beiden Männer, den auch Shaw entdeckt hatte, und folgte ihm. Shaw nahm die Abkürzung in die Stadt und ging langsam zu seinem Hotel zurück. Wenn er wusste, dass er verfolgt wurde, dann ließ er sich das zumindest nicht anmerken.
Reggie brach die Verfolgung ab, als Shaw das Hotel durch den Vordereingang betrat. Wenigstens wusste sie jetzt, wo er wohnte. Sie machte sich auf den Weg zurück zur Villa, wich wieder den Männern im Van aus und betrat ihr Domizil durch dieselbe Tür, durch die sie es verlassen hatte. Dann griff sie nach ihrem Bademantel, holte vorsichtig die Waffe raus und steckte sie in einen Plastikbeutel. Bills Fingerabdrücke waren auf dem Lauf.
Anschließend suchte Reggie das Haus von oben bis unten ab, nachdem sie die Türen abgeschlossen hatte, und zu guter Letzt zog sie sich zufrieden ein langes T-Shirt über, stieg ins Bett, griff nach dem Telefon und wählte.
Whit hob nach dem zweiten Klingeln ab. Trotz der Uhrzeit klang er keineswegs verschlafen. Er und Dominic waren in einem abgelegenen Landhaus untergebracht, keine fünfzehn Kilometer entfernt. Reggie berichtete ihm von den Ereignissen der Nacht.
»Mir gefällt der Kerl nicht«, bemerkte Whit.
»Da waren wirklich zwei Männer draußen«, betonte Reggie.
»Jaja, aber du weißt noch immer nicht, was er im Schilde führt. In jedem Fall denke ich, dass wir davon ausgehen können, es nicht mit einem verdammten Lobbyisten aus den Staaten zu tun zu haben. Womöglich ist die Mission jetzt gefährdet.«
»Ich glaube nicht, dass er für Waller arbeitet, wenn es das ist, was du meinst. Wenn dem so wäre, dann hätte er mich nicht auf die Männer draußen aufmerksam gemacht oder mir erzählt, dass einer von ihnen mich beobachtet hat.«
»Aber wenn er nicht zu Waller gehört, zu wem dann?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe seine Fingerabdrücke auf meiner Waffe. Die kannst du dir ja mal ansehen. Vielleicht finden wir so was raus.«
»Okay, ich hole sie morgen ab. Aber Reg … Es ist schon schwer genug, es mit Kuchin aufzunehmen. Da können wir nicht noch mehr Scheiße brauchen.«
Reggie legte auf und zog die Decke hoch. Aber sie konnte nicht schlafen. Also stand sie wieder auf, schlurfte zum Fenster, öffnete es und blickte hinaus. Sie war im obersten Stock der Villa, von wo aus man einen fantastischen Blick auf Gordes hatte. Da oben war ein großer Mann, der sie gerade fast fertiggemacht hätte. Sie hatte noch nie jemanden gesehen, der sich so schnell und fließend bewegen konnte. Nicht Dominic und noch nicht einmal Whit waren dazu in der Lage … und sie auch nicht.
Wer ist das?
»Verdammt«, murmelte Reggie vor sich hin, bevor sie das Fenster wieder schloss und sich mit einem lang gezogenen Stöhnen aufs Bett fallen ließ. Diese Komplikation war das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, vor allem, wenn dadurch die Gefahr bestand, dass Kuchin ihr entkommen würde. Erst eine Stunde später war Reggie endlich eingeschlafen.
*
In seinem Zimmer hatte Shaw gerade ein Gespräch mit Frank beendet. Er hatte ihm berichtet, was passiert war.
Er zog sich bis auf die Unterwäsche aus, konnte aber nicht einschlafen. Wenn er sich hinlegte, dann konnte er manchmal schlecht atmen. Das war die Folge eines Schlags gegen die Luftröhre, die ihm vor Kurzem ein Kerl namens Caesar beigebracht hatte. Shaws Muskeln waren lang und drahtig, und er war deutlich stärker, als es nach außen hin den Anschein hatte, doch Caesar, ein wahrer Riese von Mann, war wirklich ein Kraftpaket gewesen. Allerdings hatte Shaw bei ihrer Konfrontation unerwartete Hilfe bekommen. Liebe. Hass. Wut. Vor allem Hass und Wut. Das Ergebnis war eindeutig: Er war hier, Caesar nicht.
Shaw stand wieder auf und öffnete das Fenster, um ein wenig frische Luft hereinzulassen. Von hier aus konnte er die Villen unten nicht sehen, vor seinem geistigen Auge aber schon.
Wer war diese Frau, und warum war sie wirklich hier? Vielleicht war sie ja tatsächlich nur, was sie zu sein vorgab. Reich und allein auf Reisen war es durchaus möglich, dass eine Frau eine Waffe bei sich hatte; das war sogar vernünftig. Und der Abgleich ihrer Fingerabdrücke hatte keinerlei Ergebnisse erbracht. Dann erschien ein Bild in Shaws Kopf, das er verzweifelt loszuwerden versuchte, doch es gelang ihm nicht. Als sie den Badeanzug ausgezogen hatte, war ihr schlanker, sonnengebräunter Körper zum Vorschein gekommen, ihr nackter Rücken. Shaw hatte
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