DrachenKind: Gegen die Finsternis (German Edition)
eine unbestimmte, potentiell todbringende Spannung und ungeheuren Druck. Ringsherum um dieses schwarze Loch wurde es langsam heller, befanden sich die Sonnenstrahlen auf einem trägen, vernichtenden Spiralweg zu ihrem Ende.
Eric dachte nach. Nichts konnte verschwinden, es konnte sich verändern. Aber nicht verschwinden. Wo blieben diese gewaltigen Energiemassen der Sonnenstrahlen? Sie konnten doch nicht einfach…verschwinden.
„Ich verstehe deine Gedanken, und du hast Recht. Die Kraft der Sonne wird hier eingefangen und er verbraucht sie für seine Welt. Und ich weiß, irgendwo dort oben muss der Zugang dazu sein. Der Spiegel ist so schön groß, so offensichtlich, so unübersehbar. Jeder, der an die Wirklichkeit der materiellen Werte gebunden ist, wird vielleicht sofort denken, dass man durch den Spiegel müsse. Aber ich weiß, dem ist nicht so. Und auch du weißt es.“
Eric schloss die Augen. Dieser Platz in dieser Welt war so voller Verendung, voller Leblosigkeit und doch erfüllt von der grausamen Lebendigkeit der nahenden Vernichtung. Er hasste dieses Gefühl. Mia und Seath hatten in jeder Hinsicht Recht gehabt, Drachen waren unbesiegbar. Aber nicht gefühllos. Und er war keine Ausnahme. Das Wissen um alles Leben, die Fähigkeit, es in all seinem Umfang und all seiner Kraft zu erfassen, machte es ihm nicht gerade einfach zu begreifen, wofür all diese Zerstörung und Folter nötig war. Der Adler schickte ihm einen Gedanken und Eric öffnete die Augen. Er blinzelte, als der rotierende Wind ihm etwas Asche in die großen, mandelförmigen Augen trieb.
„Bitte verzeihe mir, aber ich kann dich nicht von deiner Last befreien. Sie haben sich alle geirrt. Der Spiegel hat eine andere Bedeutung als bisher angenommen, ich weiß noch nicht, welche. Aber erscheint es dir nicht ungewöhnlich, dass du in deinen Träumen einen endlosen Spiegel sahst und trotzdem in das Reich dahinter gelangen konntest, noch bevor du dich selbst erkannt hast?“
Eric zögerte. Sie alle hatten sich geirrt. Nur er nicht? Er hatte sich schon Gedanken gemacht, ob sie nicht vielleicht Opfer einer Täuschung waren. Und der Zugang nicht vielleicht doch erreichbar war. Jetzt, wo ihn dieses weise Tier danach fragte, wurden ihm seine Zweifel an der Wahrhaftigkeit des Spiegels und seiner bisher angenommenen Funktion bewusst. Innerlich hatte er nie geglaubt, dass es so einfach war, eine Welt zu spiegeln und sie dann zu bewohnen. Jetzt versuchte er, seine Gedanken frei zu bekommen.
„Glaubst du, die Räume, welche ich betreten habe, waren alle nur eine Illusion, eine Täuschung? Glaubst du, dass ich nicht das sein könnte, was ich bin?“
„Nein, ich bin mir sicher, dass du ein Drache bist. So sicher dass ich mein Leben für deines geben würde. Aber ich weiß, dass Irren in der Natur allen Seins liegt. In meiner und in der aller anderen. Der Spiegel ist nicht zu übersehen, eine Aufgabe wie das Abschirmen dieser Welt und der Erschaffung einer neuen für uns unzugänglichen, stünde ihm gut. Er ist gigantisch, vermittelt Wichtigkeit. Aber dass keiner ihn durchdringen kann muss ja nicht bedeuten, dass er wirklich das ist, was wir glauben. Der Herrscher ist auch nicht perfekt. Er besitzt eigentlich nur alle Möglichkeiten, die wir auch haben. Ohne Ausnahme. Was möglich ist, können theoretisch auch wir tun. Nur hat er Wege gefunden, die Möglichkeiten vor uns zu entdecken. Was ich damit sagen will, ist, dass er unter Umständen keine andere Möglichkeit hat, als sich auch irgendwie an das Mögliche zu halten. Und damit meine ich, dass nicht einmal er eine Welt bewohnen kann, die lediglich ein Spiegelbild ist.“
Eric nickte. Es klang einfach, aber er konnte es nur schwer begreifen, dass sich Mia, Seath und er immer nur geirrt hatten. Sowie wahrscheinlich millionen anderer.
„Was meinst du damit, ich hätte es immer gewusst?“
„Ich glaube, dass deine Gedanken dir manchmal einen Schritt voraus sind. Und als du mir die Träume gezeigt hast, habe ich bemerkt, dass du den Spiegel nicht instinktiv mit der Welt des Herrschers in Verbindung brachtest. Und das ist für deine Sinne mehr als ungewöhnlich, denn die Fähigkeit des Drachen, Leben und seine Zusammenhänge zu fühlen, machen ihn so mächtig. Du siehst nicht nur, kannst nicht nur verstehen, sondern du fühlst wirklich. Es ist schwer zu beschreiben.“
„Wie sollen wir denn den Zugang finden?“
„Sieh dir den Baum dort an.“
Er nickte nach rechts und Eric erkannte einen kahlen,
Weitere Kostenlose Bücher