Drachenritter 03 - Der Drache an der Grenze
erreichte, war Herrac bereits damit beschäftigt, einem der Bewacher, dem er an Größe und Kraft weit überlegen war, das Lebenslicht auszulöschen, während Giles einem weiteren Krieger übel zusetzte.
Auf den ersten Blick sah alles gut aus, doch dann bemerkte Jim, daß einer von Herracs Söhnen bereits am Boden lag und daß die beiden anderen trotz ihrer Größe und Stärke von ihren Gegnern zurückgedrängt wurden.
Es war eine Frage der Erfahrung. Jim zweifelte nicht daran, daß ein Vater wie Herrac darauf achtete, daß seine Söhne sich täglich im Gebrauch der Waffen übten und Scheingefechte miteinander austrugen. Doch alle Vorbereitung der Welt vermochte einen Kampf auf Leben und Tod nicht aufzuwiegen. Dies hatte Jim am eigenen Leib erfahren müssen.
Lachlan hatte die Packgurte der beiden Pferde, welche die Truhen mit dem Gold trugen, erfolgreich durchtrennt, und beide Truhen lagen mittlerweile auf der Erde. Nun tänzelte er mit dem Dolch in der Hand splitternackt um MacDougalls Stallburschen herum, der eine Streitaxt mit kurzem Griff hervorgeholt hatte.
Der zweitjüngste von Herracs Söhnen drohte derweil von seinem Gegner aus dem Sattel gehauen zu werden und benötigte dringend Hilfe, die seine Brüder ihm allerdings nicht zuteil werden lassen konnten - und das galt auch für Herrac und Giles.
Auf einmal kochte die Erregung in Jim hoch. Mit einem Schrei, der geeignet war, das Blut in den Adern gefrieren zu lassen, trieb er Gorp die Sporen in die Seite und stürzte sich ins Getümmel, um William zu Hilfe zu eilen.
18
Jim prallte gegen den Bewaffneten, der William de Mer bedrängte, und versetzte ihm gleichzeitig einen Hieb mit dem Schwert, der diesen fast aus dem Sattel warf. Zur Wucht des Zusammenstoßes trug nicht nur sein eigenes Gewicht bei, sondern auch das seines massigen Pferdes Gorp, das zudem in Rage war. Jim hatte ihm bisher noch nie die Sporen gegeben. Um es jemandem heimzuzahlen, ganz egal wem, schlug es mit den Vorderhufen auf das kleinere Pferd des Bewaffneten ein, daß man hätte meinen mögen, Gorp sei ein ausgebildetes Streitroß.
Jim hatte keine Zeit, dies angemessen zu würdigen, denn er hatte genug mit dem Bewaffneten zu tun. Diesem gelang es zwar, sich wieder im Sattel aufzurichten, doch fand er sich jetzt, da er es mit einem zweiten Gegner zu tun hatte, der in den Steigbügeln stand und von höherer Warte auf ihn einschlug, auf einmal in der Defensive wieder.
William, der sich an sein Pferd klammerte und sich entfernte, beachtete er nicht mehr, sondern tat sein Bestes, sich auf die veränderte Situation einzustellen und sich ganz auf den Zweikampf mit Jim zu konzentrieren.
Wäre die Begeisterung nicht mit Jim durchgegangen - erst später wurde ihm klar, daß er sich wohl von Lachlan hatte mitreißen lassen, denn ein nackter, bewaffneter Mann, der sich auf mehrere gepanzerte Gegner stürzte, hatte etwas Erschreckendes an sich -, hätte er sich womöglich weniger gut behauptet. So aber nahm Jim sich ein Beispiel an Herrac und fuhr einfach fort, seinen Gegner aus dem Sattel zu hämmern.
Auf einmal kehrte Ruhe auf dem Schlachtfeld ein. Pferde und Männer standen, saßen oder lagen keuchend still. Niemand regte sich, bis Herrac so behende wie ein Zwanzigjähriger aus dem Sattel sprang und zu seinem Sohn rannte, der aus dem Sattel gefallen war.
»Alan!« schrie er gequält auf. Er fiel neben dem jungen Mann auf die Knie und bettete Alans schlaffen Kopf auf sein Knie. »Alan...«
Mit bebenden Fingern löste er Alans Helmverschnürung und nahm ihm den Helm ab. Der junge Mann war aschfahl im Gesicht, die Augen hatte er geschlossen.
Auf einmal verspürte Jim eine grauenhafte Leere. Alan war der älteste Sohn. Für Herrac wäre der Tod seines Erstgeborenen ein äußerst schwerer Schlag, denn all die Jahre über hatte er Alan darauf vorbereitet, seine Nachfolge als Herr über die Burg und die Ländereien anzutreten.
Jim saß ab, drängte sich an Lachlan und den anderen Söhnen vorbei und kniete neben Alan nieder. Er hielt die Hände über Alans schlaffen, offenen Mund und lächelte Herrac an, der Alans Kopf hielt und leicht schwankte.
»Er atmet noch«, sagte Jim.
Herrac brach in Tränen aus.
»Helft mir!« sagte Jim zu seinen Söhnen. »Wir müssen ihm die Rüstung ausziehen - und zwar behutsam. Ich werde sehen, was ich tun kann.«
Die Ankündigung eines Magiers, sich nach Kräften für Alan einsetzen zu wollen, weckte Sir Giles und seine Brüder aus der Trance
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