Drachenritter 04 - Der Drache im Krieg
wecken versucht hatte, nach und nach ihren Schrecken. Er blickte nach vorn und sah, daß ihnen der Weg durch die Menschenmenge plötzlich versperrt war, und die Vagabunden rückten von beiden Seiten näher. Die Stimmen um ihn herum schwollen an, bis sie sich in der Mitte einer lärmenden Gruppe befanden und in jeder einzelnen Hand Stahl aufblitzte.
»Vorwärts!« befahl Jim grimmig.
Theoluf, der an der Spitze seiner Mannen ritt, wiederholte den Befehl, und die Bewaffneten zückten ebenfalls ihre Schwerter.
Die Menge kam näher. Sie waren gezwungen anzuhalten. Theoluf drehte sich fragend zu Jim um.
»Macht euch, wenn nötig, euren Weg mit dem Schwert frei!« schrie Jim.
Aber bevor sie sich rühren konnten, erklang etwas, das jeden auf der Lichtung wie angewurzelt erstarren ließ.
Es waren die silbrigen Töne einer Trompete. Nicht der lediglich heisere Klang eines Kuhhorns, sondern der reine Ton des seltenen Musikinstruments, das aus Metall gefertigt war und nur von königlichen Herolden und wichtigen Beamten des Königs benutzt wurde.
Die Trompete ertönte vom Waldrand aus, ein wenig rechts von der Stelle, auf die Jim und seine kleine Schar zusteuerten. Als er genauer hinschaute, erkannte Jim drei zu Pferde sitzende Gestalten. Der Reiter auf der rechten Seite, der kleinste der drei, trug einen Stab mit einem gegabelten Wimpel daran und nahm gerade unter dem hochgeklappten Visier eine Bronzetrompete von den Lippen. Der Mann war nach Manier des vierzehnten Jahrhunderts in voller Rüstung, die aus einer Verbindung von Ketten- und Plattenpanzer bestand.
Der linke der drei Reiter war nicht übermäßig groß, aber recht breit und trug dieselbe Art von Rüstung und ebenfalls einen gegabelten Wimpel. Zwischen diesen beiden sah man eine hochgewachsene Gestalt mit geschlossenem Visier, die einen vollen Plattenpanzer trug - etwas, das man wahrlich selten zu sehen bekam. Jim beobachtete, wie die Gestalt in der Mitte ihr Visier hob; und eine Stimme, die Jim sehr vertraut war, dröhnte zu ihnen herüber.
»Im Namen des Königs!«
5
D IE OFFEN GESCHWENKTEN Schwerter und Messer der Vagabunden waren wie der Blitz verschwunden. Jim ließ Bruder Morel frei, der vom Pferd sprang und zu den Vagabunden an der Tür der Hütte rannte. Nachdem der Mönch fort war, zügelte Jim sein Pferd und ritt auf die drei berittenen Gestalten zu; der Rest seiner kleinen Schar folgte ihm.
Die Vagabunden stolperten in jähem Schweigen zur Seite. Selbst Elly war verstummt.
Als Jim näher kam, erkannte er die kleinere, breitere Gestalt - und gerade in diesem Augenblick hob der Mann das Visier seines Helms und enthüllte den üppigen gelockten, blonden Schnurrbart und die prachtvolle Nase Sir Giles de Mers.
Es war derselbe Sir Giles, mit dem zusammen Jim, Sir Brian und Dafydd ap Hywel, der walisische Bogenschütze, die vergangenen vier Wochen auf der Burg de Mer oben an der schottischen Grenze zugebracht hatten. Jim blickte mit einigem Erstaunen in das lächelnde Gesicht Sir Giles'. Der kleine Ritter mußte Jim, Brian und Dafydd während ihres ganzen langen Heimwegs unmittelbar auf den Fersen gewesen sein, wenn er jetzt hier war. Aber wie war er dann zu seinen beiden Gefährten gekommen?
Die gepanzerte Gestalt mit der Trompete war eindeutig ein Knappe. Die hochgewachsene Gestalt in dem Plattenpanzer hatte Jim bereits identifiziert. Dieser Mann hatte eindeutig das Kommando - nicht nur über seine zwei Gefährten, sondern über jegliche militärische Streitmacht, die im Wald unsichtbar versteckt war.
Die Gegenwart einer solchen militärischen Streitmacht ließ sich nur vermuten. Aber die tatsächliche Gewißheit, daß es eine solche Streitmacht gab, hatte zusätzlich zu dem Trompetenstoß und der Erwähnung des Königs genügt, um die Haltung der Vagabunden von einer Sekunde auf die andere zu verändern. Nach guter normannischer Sitte hätten sie alle an den nächsten Bäumen aufgeknüpft werden können, nur so aus Prinzip; und das wußten die Leute auch.
Jim ritt auf den Mann in der Mitte zu und brachte sein Pferd zum Stehen.
»Welch glückliches Wiedersehen, Sir John!« sagte er. »Ich würde mich immer freuen, Giles wiederzusehen, aber Euer Erscheinen macht mir das Wiedersehen doppelt teuer. Darf ich davon ausgehen, daß Ihr uns nach Malencontri begleiten werdet, um Euch an den ärmlichen Unterhaltungen, die meine Burg zu bieten hat, zu erfreuen?«
»Genau dorthin wollte ich, Sir James«, antwortete Sir John Chandos. Trotz seiner
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