Draußen wartet die Welt
ausgehen sehe, sind sie eigentlich immer ziemlich lässig angezogen«, sagte Rachel. »Ich denke, deine Jeans und ein hübsches Oberteil sind genau richtig.« Sie griff nach der weißen Bluse mit der Lochstickerei. Ich erinnerte mich daran, wie meine Mutter darauf bestanden hatte, dass ich diese statt einer farbenfroheren kaufte, die mir viel besser gefallen hatte.
»Aber die ist so schlicht«, sagte ich zu Rachel, genau wie damals zu meiner Mutter.
»Sie sieht toll zu deinen dunklen Haaren aus. Und wir können sie noch ein bisschen aufpeppen«, erwiderte Rachel. Ein paar Minuten später stand ich in Rachels Zimmer, die weiße Bluse straff in meine Jeans gesteckt, während Rachel ihren Kleiderschrank durchforstete. Noch nie hatte ich so lange vor meinem eigenen Spiegelbild gestanden. Ich versuchte, mich nicht selbst anzustarren.
»Das ist genau das, was du brauchst«, verkündete Rachel, als sie mit einer kurzen Jacke aus Jeansstoff wieder aus dem Schrank auftauchte.
Ich schlüpfte in die Ärmel der Jacke. Als ich sah, wie sie die schlichte weiße Bluse umrahmte und zur Geltung brachte, strahlte ich. Ich konnte mir die Mädchen in den Zeitschriften sehr gut in diesem Outfit vorstellen.
»Was meinst du?«, wollte Rachel wissen.
»Ich glaube, zu Hause würden sie mich gar nicht mehr erkennen.« Und es stimmte. Ich starrte in den Spiegel. Das Weiß der Bluse strahlte im Kontrast zu meiner gebräunten Haut förmlich und in der Jeans wirkten meine Beine lang und schlank. Von dem Mädchen, das noch vor einer Woche nie ohne seine Haube das Haus verlassen hatte, das noch nie Hosen getragen und noch nie ein Kleidungsstück mit einem Knopf zugemacht hatte, war nichts mehr zu erkennen.
Das Mädchen, das mich aus dem Spiegel anschaute, war alles andere als einfach.
Kapitel 16
Am Samstagnachmittag rief Josh an, um mir zu sagen, dass er mich um 19 Uhr abholen würde. Außerdem teilte er mir mit, dass noch ein anderes Pärchen mit uns kommen würde. Ich war froh, als ich von dem anderen Pärchen hörte. So kam mir das Treffen weniger wie ein richtiges Date vor als vielmehr wie ein Abend, an dem ich mich mit ein paar Freunden traf.
An jenem Abend war ich viel zu aufgeregt, um etwas zu essen. Ich spürte die Anspannung und Vorfreude in meinem ganzen Körper. Rachel schien Verständnis dafür zu haben, als ich meinen Teller bereits zum Spülbecken trug, während der Rest der Familie noch beim Essen war.
In der Badewanne tauchte ich ganz tief in das warme Wasser ein und mein Haar breitete sich wie ein Fächer um meinen Kopf aus. Ich tat nichts Unrechtes, versicherte ich mir selbst. Josh und ich gingen nur als Freunde zusammen aus. Und Daniel war nicht mein Verehrer, also betrog ich ihn auch nicht wirklich. Trotzdem tauchte Daniels Gesicht vor meinem inneren Auge auf, und er sah mich mit demselben ernsthaften Blick an wie in jenem Moment, als ich seine Holzschnitzerei ausgepackt hatte.
Später, als ich gerade die Jeansjacke anzog, klopfte Rachel vorsichtig an meine Tür. »Du siehst hübsch aus«, sagte sie.
»Danke schön.« Ich versuchte, mich zu erinnern, ob schon jemals irgendjemand diese Worte zu mir gesagt hatte. »Also, es gibt noch was, bei dem ich Hilfe gebrauchen könnte«, sagte ich. »Zu Hause binden wir unser Haar immer hinten zusammen oder tragen geflochtene Zöpfe. Aber hier sehe ich Mädchen, die sich ihr Haar auf die unterschiedlichsten Arten frisieren.«
Rachel lächelte mich erfreut an, und im nächsten Moment fand ich mich erneut vor einem Spiegel wieder, nur dass Rachel diesmal hinter mir stand. Ich fragte mich, was meine Mutter wohl davon halten würde, dass ich mich andauernd selbst im Spiegel anstarrte. »Du hast so wunderschönes Haar«, sagte Rachel. »Ich glaube, es würde toll aussehen, wenn du es offen trägst.« Mein Haar war vom Baden noch immer feucht. Ich hoffte, eines Tages zu lernen, wie man einen Föhn benutzte, aber für den Moment würde es eben noch lufttrocknen müssen, wie immer. Ich spürte, wie die Bürste durch mein lockiges Haar fuhr, und sah im Spiegel dabei zu, wie Rachel einzelne Strähnen über meine Schultern und auf meinem Rücken drapierte.
Blinzelnd betrachtete ich mein Spiegelbild. Es fühlte sich frei an, mein Haar offen zu tragen. »Es gefällt mir«, sagte ich. Aber was ich im Stillen insgeheim dachte, war: Ich bin hübsch.
Als es an der Tür läutete, schoss das Klingeln durch meinen ganzen Körper. Ich schnappte meine Tasche und rannte nach unten. Sam hatte
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