Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)

Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)

Titel: Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Saalfrank
Vom Netzwerk:
auch oft erst (wieder) erlernen.
    Kinder hinterfragen uns dabei und merken sehr schnell, wenn die sprachlichen und nicht sprachlichen Anteile einer Aussage nicht zusammenpassen. Besser ist es für sie, wenn wir sagen, was wir denken und fühlen, und die Kinder nicht mit Antworten abspeisen, die offensichtlich nicht mit dem übereinstimmen, was wir ausstrahlen. Wenn beispielsweise eine Mutter gerade ein emotionales Telefonat hatte, aufgebracht und wütend ist und dann zu ihrem Kind sagt: »Es ist alles in Ordnung, Mäuschen«, wird das Kind unsicher. Es nimmt durch Gesten, die Mimik und den Tonfall der Mutter wahr, dass etwas nicht stimmt und dass die Botschaft nicht passt. Hier authentisch zu reagieren könnte so aussehen:
»Ich ärgere mich gerade – es hat aber nichts mit dir zu tun!«
    Zusätzlich schleichen sich auch oft unbemerkt Kommunikationsmuster ein, die einen echten Dialog verhindern. Diese Muster genauer zu hinterfragen lohnt sich, denn welche Sprache wir in unserer Familie nutzen, ist ganz entscheidend für die Qualität der Beziehung, die wir zueinander haben.
Mutter (kommt ins Zimmer): »Und, Nico? Was habt ihr heute in der Schule gemacht?«
Nico (schaut von seinen Hausaufgaben auf): »Nichts Besonderes.«
Mutter: »Na, irgendwas werdet ihr gemacht haben.«
Nico (schreibt weiter): »Ja, in Mathe haben wir gemeinsam die Hausaufgaben kontrolliert.«
Mutter: »Und? Hattest du alles richtig?«
Nico: »Ja, fast. Eine Aufgabe war falsch.«
Mutter: »Wirklich? Dann musst du doch noch konzentrierter arbeiten. Und sonst noch? Was war in Deutsch?«
Nico (schaut auf): »Mama, lass mich …«
Mutter: »Ich will nur kurz wissen, was mit Deutsch war.«
Nico (seufzt): »Deutsch war langweilig, wir mussten eine Geschichte lesen.«
Mutter: »Aber das ist doch nicht langweilig. Und Englisch? Habt ihr den Vokabeltest zurück?«
Nico: »Nein, den kriegen wir erst morgen wieder.«
Mutter (geht zur Zimmertür): »Ach so. O.k.«
Nico (genervt): »Kann ich jetzt weitermachen?«
    Dieser Dialog zwischen Mutter und Sohn mutet eher an wie eine Befragung im Interviewstil. Eine nahe, persönliche Unterhaltung ist es nicht. Zwar bekommt die Mutter einige Informationen über den Verlauf des Schultags ihres Sohnes, allerdings erfährt sie nichts darüber, wie es Nico geht und was ihn bewegt. Auch bleibt sie selbst mit ihren Anliegen und Gefühlen verborgen, und es bleibt offen, was der eigentliche Grund für ihre Fragen ist. Ist sie tatsächlich besorgt um Nicos Noten und fragt deshalb nach den Leistungen? Oder möchte sie doch wissen, wie es ihrem Sohn geht?
    Wenn wir unsere Kinder in diesem Stil »befragen«, entstehen Missverständnisse, wir kommunizieren auf verschiedenen Ebenen, reden deshalb aneinander vorbei und kommen nicht wirklich ins Gespräch. Meiner Erfahrung nach passiert das unbewusst, und obwohl Familien die Schwierigkeiten des Austausches benennen können, bleiben Eltern und Kinder oft frustriert und unglücklich zurück. Die häufig gehörten Sätze von Kindern wie »Meine Eltern verstehen mich eh nicht!« und die Klagen von Eltern wie »Mein Kind hört mir nicht zu« oder »Mein Kind erzählt mir sowieso nichts« zeigen, wie schwierig es ist, im Alltag in ein wirkliches Gespräch zu kommen, in dem alle mit ihren Emotionen und Bedürfnissen gehört werden und sich ernst genommen fühlen.
    Was in der alltäglichen Familienkommunikation schon nicht leicht ist, wird in Ausnahmesituationen, bei Konflikten, oft noch schwieriger.
    Helene (dreizehn Jahre) kommt wiederholt zu spät nach Hause. Trotz der vielen Ermahnungen verändert sich ihr Verhalten nicht, und ihr Vater möchte nun die letzte Verspätung zum Anlass nehmen, um ernsthaft mit seiner Tochter zu sprechen.
Vater: »Wo kommst du jetzt erst her? Du bist viel zu spät! Das Judotraining ist seit über einer Stunde vorbei!«
Helene: »Ich bin später aus der Halle raus und hab den Bus verpasst …«
Vater: »… das hast du letztes Mal auch schon gesagt. Aber wir haben ausgemacht, dass du direkt nach dem Sport nach Hause kommst.«
Helene starrt mit gesenktem Kopf auf den Tisch vor sich.
Vater: »Wieso kannst du dich nicht an das halten, was wir besprochen haben? Du hättest wenigstens anrufen können, wofür hast du denn das Handy? Ich warte hier jetzt schon ewig und denke, es ist sonst was passiert. Dass du auch immer so unzuverlässig bist! Später kannst du auch nicht einfach zu spät zur Arbeit kommen.«
Helene schaut kurz auf, gleich aber wieder weg.
Vater:

Weitere Kostenlose Bücher