Du weckst mein Verlangen
Freundin.“
„Natürlich. Selbstverständlich!“, stotterte Emma. Wieder errötete sie. Seit Wochen hatte sie sich gewünscht, mit Cordelias Enkel sprechen zu können. Aber jetzt, da er da war, zögerte sie. In seiner Gegenwart fühlte sie sich wie ein pubertärer Teenager.
Plötzlich durchschoss Rocco ein unangenehmer Gedanke: Vielleicht hat sie ja Besuch? Männlichen Besuch? Und will mich deshalb nicht hereinlassen. Irritiert runzelte er die Stirn, als ihm bewusst wurde, wie sehr ihm diese Vorstellung missfiel.
„Sollten Sie bereits Gäste haben, entschuldige ich mich natürlich für die Störung“, sagte er steif.
Verblüfft sah Emma ihn an. Glaubt er tatsächlich, ich würde am Wochenende wilde Partys feiern? Ihr gesellschaftliches Highlight bestand darin, alle vier Wochen zur Gemeindesitzung zu gehen.
„Wer sollte denn hier sein? Bei solch einem Wetter geht doch niemand freiwillig vor die Tür!“
Die Temperatur lag gerade mal knapp über dem Gefrierpunkt, und immer noch fiel ein gleichmäßiger Eisregen. Plötzlich kam Emma zu Bewusstsein, dass das kleine Vordach nicht unbedingt viel Schutz bot. „Einen Moment, bitte.“ Sie schloss die Tür, um die Sicherheitskette zu entfernen, holte tief Luft, machte wieder auf und bat Rocco herein.
Er roch nach Regen, feuchtem Leder und dem herb-würzigen Aftershave. Wieder überwältigte sie seine körperliche Präsenz. In der femininen Atmosphäre ihres Hauses empfand sie seine virile Männlichkeit fast wie einen Übergriff.
„Kommen Sie doch bitte ins Wohnzimmer“, murmelte sie und ging voraus. Nervös registrierte sie das wilde Pochen ihres Herzens.
„Ich vermutete, Sie hätten vielleicht einen Freund“, setzte Rocco erneut an.
Emma drehte sich abrupt um und sah ihm geradewegs in die Augen. „Ich habe keinen Freund.“ Ihr Ton verriet deutlich ihren Unwillen, dieses Thema weiter zu erörtern.
Rocco ignorierte diesen Wink mit dem Zaunpfahl. „Wahrscheinlich ist es nicht so einfach, eine Beziehung einzugehen, wenn man ein kleines Kind hat.“
Emma zuckte die Schultern. „Ich bin derzeit nicht an einer Beziehung interessiert. Sie fragen also die Falsche.“
„Aber Sie haben doch gewiss ab und zu ein Rendezvous? Wann ist Ihr Mann gestorben? Vor drei Jahren?“
„Mein Privatleben geht Sie wirklich nichts an!“ Ich hätte meinem Instinkt folgen und ihm die Tür vor der Nase zuschlagen sollen, dachte sie wütend. Sie ließ ihn nicht aus den Augen, als er zum Kamin ging und eingehend die Fotos betrachtete.
„Sie gehen drei Jahre nicht aus – und doch sehe ich hier kein Foto, auf dem Ihr Mann und Sie gemeinsam wären – nicht einmal das Hochzeitsfoto!“
„Ich könnte es nicht ertragen, Fotos von meiner Hochzeit zu sehen.“
Dieselbe Erklärung hatte sie auch ihren Schwiegereltern gegeben – und überließ diesen die Interpretation. Was sie eigentlich meinte: Sie hätte nicht ertragen, ständig vor Augen zu haben, wie verliebt und bewundernd sie Jack ansah, während dieser hingegen lediglich strahlend in die Kamera lächelte.
Er wusste nur allzu gut, wie fotogen er war, und genoss es, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Im Unterschied zur Braut, dachte Emma ironisch. Jack wollte unbedingt eine große Hochzeitsfeier, aber für sie war der Tag die reinste Qual. Doch damals hätte sie alles für ihn getan – wäre ihm nach Sibirien oder auf den Mond gefolgt. Sie konnte gar nicht glauben, dass er sie erwählt hatte, wo er doch jede, einfach jede Frau hätte haben können.
Wie blind ich war! Und die Fotos bewiesen ihre Naivität. Sie hatte seinen Beteuerungen geglaubt, dass sie die Einzige sei. Dabei hatte er während der drei Jahre ihrer Ehe zahlreiche Affären. Das fand sie jedoch erst nach seinem Tod heraus.
Um seiner Eltern willen behielt sie es aber für sich. Jack war als Held gestorben, und es wäre zu grausam gewesen, ihnen danach noch zu sagen, was für ein verlogener Heuchler ihr Sohn in Wirklichkeit gewesen war. Emma musste lernen, sich mit beiden Seiten ihres Mannes auszusöhnen: dem heroischen Feuerwehrmann, der sein Leben opferte, und dem Ehebrecher, der ihr den Glauben an die Liebe nahm. Selbst ihre eigenen Eltern wussten nichts davon, obwohl sie immer einen gewissen Verdacht hegten. Und Holly glaubte, er sei der größte Held aller Zeiten. Emma brachte es einfach nicht übers Herz, diesen Traum zu zerstören.
Sie schüttelte den Kopf, um die Erinnerungen zu vertreiben, und ertappte Rocco dabei, wie er sie
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