Du weckst mein Verlangen
Schließlich ist er der Playboy schlechthin.
„Um auf die Party zurückzukommen“, lenkte sie schnell ab, „ich habe dafür überhaupt nichts Passendes anzuziehen. In Little Compton hatte ich eher weniger die Gelegenheit, auf Cocktailpartys zu gehen“, fügte sie trocken hinzu.
Ungerührt zuckte Rocco die Achseln. „Kein Problem. In Portofino gibt es ein paar ausgezeichnete Designerboutiquen. Wir gehen heute Nachmittag einkaufen. Ich werde auf Holly aufpassen, während Sie die Kleider anprobieren. Und jetzt bitte keine weiteren Einwände mehr!“, meinte er warnend, als er das Aufbegehren in Emmas Blick sah. „Holly wird von einem Ausflug zum Hafen begeistert sein. Cordelia habe ich ebenfalls gefragt, ob sie mitkommen will, aber sie ist zu müde.“
„Sie haben ja anscheinend alles bedacht!“ Wutentbrannt drehte Emma sich auf dem Absatz um und wollte aus dem Büro stürmen. Dabei stieß sie jedoch gegen die Schreibtischkante, und ein gerahmtes Foto fiel zu Boden. „Entschuldigung!“, rief sie erschreckt aus, bückte sich und hob das Bild auf. Glücklicherweise ist das Glas nicht zerbrochen, dachte sie erleichtert.
Emma betrachtete das Foto, auf dem zwei Jungen abgebildet waren. Bei dem Älteren handelte es sich zweifelsfrei um Rocco. Schon als Teenager war er extrem gut aussehend. Der jüngere wies große Ähnlichkeit mit ihm auf. Plötzlich fiel ihr ein, dass er einmal einen Bruder erwähnt hatte.
„Kommt Ihr Bruder auch zu der Party?“
„Nein.“
Verblüfft über die knappe Antwort blickte Emma auf. In Roccos Augen lag eine unendliche Trauer.
„Giovanni starb eine Woche nachdem dieses Bild aufgenommen wurde.“
„Oh Gott! Das tut mir leid. Er war doch noch ein Kind.“
„Er war sieben“, antwortete Rocco mit versteinerter Miene.
Emma hätte gerne mehr erfahren, aber sein verschlossener Gesichtsausdruck hielt sie davon ab, weitere Fragen zu stellen.
Rocco erhob sich abrupt, ging zur Tür und hielt sie auf. „Ich muss noch ein paar Stunden arbeiten. Wenn Sie jetzt bitte wieder zu meiner Großmutter gingen.“
„Selbstverständlich!“ Dieser Hinauswurf erstickte jedes weitere Wort im Keim, und Emma verließ das Büro.
Rocco schloss hinter ihr die Tür und lehnte sich dagegen. Er starrte auf das Foto, das er in der Hand hielt. Selbst nach zwanzig Jahren tat es noch weh, an Gio zu denken. Roccos Schuldgefühle waren so stark wie eh und je, und sie würden ihn wohl auch nie verlassen. Aber das Schicksal hielt doch immer wieder Überraschungen bereit: Gio hatte er verloren – aber einen neuen Bruder bekommen.
Marco war Gio wie aus dem Gesicht geschnitten, und er brauchte ihn, Rocco, genauso wie Gio ihn damals gebraucht hatte. Auch wenn sein kleiner Halbbruder – der nicht eheliche Sohn von Enrico – im Moment ablehnend auf Roccos Versuche reagierte, eine Beziehung zu ihm aufzubauen. Er musste Geduld haben, aber er war entschlossen, sich um Marco zu kümmern. Er würde ihm dieselbe Liebe entgegenbringen wie Gio.
Im Moment hielt er es noch für ratsam, Marcos Existenz geheim zu halten. Es würde einen riesigen Skandal geben, wenn herauskäme, dass Enrico D’Angelo einen illegitimen Sohn hatte. Die Journalisten würden sich wie die Geier auf den Jungen stürzen, und davor wollte Rocco ihn bewahren.
„Das ist doch unsinnig“, protestierte Emma. Sie blieben vor dem Schaufenster der x-ten Boutique stehen, und beim Blick auf die Preisschilder schnellten Emmas Augenbrauen in die Höhe. „Ich kann mir keine Designermode leisten.“
In Portofinos Hauptstraße, der Via Roma, lag eine Boutique neben der nächsten. Dazwischen gab es noch das eine oder andere Schmuckgeschäft, Kunstgalerien oder Läden mit ortstypischen Geschenkartikeln. Die Stadt war bekannt als „Italienische Riviera“, ein Mekka der Reichen und Schönen.
Emma fühlte sich in den alten Jeans und dem T-Shirt absolut fehl am Platz. Rocco hingegen passt perfekt hierher, dachte sie. Mit seinem Maßanzug und der Designersonnenbrille entsprach er dem Klischee des schwerreichen Tycoons. „Hier werde ich nie etwas finden“, verkündete sie. „Wir kommen einfach aus verschiedenen Welten. Ich bin eher der Typ, der seine Kleidung von der Stange kauft. Und jetzt werde ich mit Holly die Boote im Hafen anschauen. Komm, Schätzchen.“ Es versetzte Emma einen Stich, wenn sie den vertrauensvollen Blick sah, mit dem ihre Tochter zu Rocco hochblickte. Wenn es an der Zeit ist, wieder zu gehen, wird es eine Katastrophe geben,
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