Dunkle Flammen Der Leidenschaft
damit verbracht, den Türknauf anzustarren, weil ich sehen wollte, ob Vlad versuchen würde hereinzukommen, um sich zu entschuldigen. Das hätte nicht zu viel verlangt sein sollen, auch wenn er ein berüchtigter mittelalterlicher Herrscher gewesen war. Doch der Türknauf hatte sich nicht bewegt. Den ganzen Tag über sagte ich mir, dass das gut so war.
»Shrapnel hat angerufen. Sie werden bald hier sein«, verkündete Maximus.
Die Worte erleichterten mich ziemlich. Aufgrund der Veranlassung , die er gehabt hatte, meine Familie zu bespitzeln, war ich zwar noch wütend auf Vlad, aber hier waren sie sicherer als in Szilagyis Händen. In Hochstimmung war ich zwar nicht gerade, spielte aber immer noch für das Team Vlad. Hätte Szilagyi mich nicht in diese Untoten-Fehde hineingezogen, indem er mich entführen ließ, würde ich schließlich zusammen mit Marty noch den milden Winter in Gibsonton genießen. Statt hier in Rumänien herumzusitzen und mich zu fragen, wie mein Vater und meine Schwester darauf reagieren würden, ans andere Ende der Welt verschleppt zu werden – und so bald nicht mehr heimzukommen.
Als ich jedoch Maximus aus der Bibliothek folgte und am Ende des Flurs eine vertraute dunkelhaarige Gestalt sah, war ich hin- und hergerissen zwischen Nervosität und schwelendem Zorn. Sofort begann ich, im Geist ein Medley vor mich hinzusummen, um meine Gedanken zu verschleiern. Gestern Abend hatte ich Vlad eine Ohrfeige verpasst und ihn heute den ganzen Tag gemieden, doch ein kleiner, absurder Teil meines Selbst war noch immer enttäuscht, weil Vlad nicht zu mir gekommen war.
Je näher ich ihm kam, desto unbehaglicher war mir zumute. Er stand mit dem Rücken zu mir, die Hände dahinter verschränkt, sodass ich die winzigen Schmucksteinchen sehen konnte, die auf seine Ärmelaufschläge gestickt waren. Sein Gehrock reichte ihm bis zu den Knien, und das Material wirkte so geschmeidig, als ob es Kaschmir wäre. Seine Hose war genauso ebenholzfarben, Stiefel blitzten unter dem Saum hervor. Als ich neben ihm war, konnte ich sehen, dass sein Kragen mit ebenso dezent glitzernder Stickerei versehen war wie die Ärmelaufschläge, doch das anthrazitfarbene Hemd, das er trug, war so schlicht, dass das Outfit auf elegante Art eindrucksvoll und nicht pompös wirkte. Sein Haar war streng zurückgekämmt, was seine Augenbrauen wie dunkle Schwingen wirken ließ. Es betonte auch seine fein ziselierten Wangenknochen, das von leichtem Bartschatten bedeckte Kinn – und seine hypnotischen, kupferfarbenen Augen.
Mit einem Mal kam ich mir ziemlich underdressed vor in meiner braunen Freizeithose und dem beigefarbenen Rollkragenpullover. Warum hatte ich nicht das marineblaue Kleid angezogen, und wäre es wirklich so schlimm gewesen, ein bisschen Make-up aufzulegen?
Vlads Lippen zuckten. Da fiel mir auf, dass ich ganz vergessen hatte, in Gedanken ein Liedchen zu trällern, während ich ihn angehimmelt hatte. Ich holte das nach, doch der Text von Do You Really Want To Hurt Me kam mir im Augenblick doch etwas zu passend vor.
»Culture Club?« Jetzt verzogen sich seine Lippen nach unten. »Und da hältst du mir vor, ich würde grausame und ungewöhnliche Strafen verhängen.«
»Das ist nicht komisch«, murrte ich und ließ eine Strähne meines schwarzen Haares über die Narbe in meinem Gesicht fallen. Ich tat es mehr aus Gewohnheit als aus Verlegenheit, doch während sein Blick der Bewegung folgte, verschwand sein spöttischer Gesichtsausdruck.
»Alles an dir ist schön, Leila. Eines Tages wirst du es auch glauben.«
Ich sah weg und verfluchte das Engegefühl in der Brust, das ich als Reaktion auf seine Worte und die leise, volltönende Stimme verspürte. Komplimente änderten nichts an dem, was er getan hatte. Darauf musste ich mich konzentrieren.
Wieder hatte ich vergessen, meine Gedanken zu verbergen, aber Vlad sagte nichts dazu. Er zog eine lange, flache Schachtel aus dem Mantel.
»Für dich.«
Ich starrte das Geschenk an, griff aber nicht danach. Es sah aus wie ein Schmuckkästchen, und so groß wie es war, musste etwas Protziges darin sein. Gehörte er zu der Sorte Mann, die glaubte, man könnte eine verdammenswerte Tat mit Klunkern ausradieren?
Ich hob das Kinn. »Wenn ich das annehme, habe ich das Gefühl, ich würde dir sagen, dass zwischen uns alles wieder gut ist, aber das ist es nicht. Ich hätte dir keine Ohrfeige geben dürfen, also habe ich auch falsch gehandelt, aber Schmuck ändert nichts … oh!«
Während meiner
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