Dunkle Rosen: Roman (German Edition)
versuchte, ruhig zu bleiben.
»Das war gemein und hässlich von dir. Boshaft und schäbig. Diesen Pullover mochte ich gern. Sehr gern. Aber das ist dir wahrscheinlich völlig egal.«
Nun wurde sie wütend und wirbelte herum, in der Hoffnung, irgendjemanden zu sehen, auf den sie losgehen konnte. »Ich habe noch andere, und wenn du vorhast, dieses Theater mit dem Rest meiner Garderobe zu wiederholen, dann sage ich dir, eher
gehe ich splitternackt hier hinaus, als dass ich mich so erpressen lasse. Lass deine Launen also an jemand anderem aus.«
Roz schleuderte den Pullover auf ihr Bett und kehrte an ihre Frisierkommode zurück. Sie griff sich wahllos irgendein Sweatshirt und zog es sich über den Kopf. Ihre Finger zitterten, halb vor Zorn, halb vor Verzweiflung, als sie in ein Paar Jeans schlüpfte.
»Ich treffe meine eigenen Entscheidungen«, schimpfte sie. »Das habe ich immer getan. Mach so weiter, mach nur so weiter, dann schlafe ich mit ihm, nur um dich auf die Palme zu bringen.«
Sie zog sich fertig an, steckte die Füße in ihre Stiefel, schnappte sich den Ledermantel und musste sich zwingen, nicht die Tür hinter sich zuzuknallen.
Von draußen lehnte sie sich dagegen und atmete tief durch, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Eines stand fest, dachte sie, auf dem Weg zu dem Spiel würde Mitch und ihr der Gesprächsstoff nicht ausgehen.
Dennoch wartete sie, bis sie unterwegs waren und die Lichter von Harper House hinter ihnen lagen. »Ich muss dir einiges erzählen, aber dann fände ich es schön, wenn wir beide das Geschäftliche für eine Weile außer Acht lassen könnten.«
»Ist was passiert?«
»Ja. Zuerst hatte ich neulich bei der Arbeit eine ärgerliche Begegnung mit einer Bekannten, die seit zwanzig Jahren die Goldmedaille bei der Klatsch-Olympiade gewinnt.«
»Ein beeindruckender Rekord.«
»Und sie ist stolz darauf. Es ging um meinen Exmann und ist im Grunde gar nicht wichtig, aber ich habe mich ein wenig aufgeregt und vor lauter Ärger Kopfweh bekommen. Also ging ich nach Hause, nahm ein paar Aspirin und beschloss, mich für ein paar Minuten hinzulegen. Ich bin nicht eingeschlafen, habe nur so angenehm ein bisschen vor mich hingedöst – und im Geiste war ich draußen im Garten, saß auf einer Bank im Schatten, und es war schon spät im Frühjahr.«
»Woher wusstest du, dass Frühling war?«
»Spätes Frühjahr, Anfang Juni. Das konnte ich an den Pflanzen erkennen, an den Blumen, die blühten. Dann wurde es kalt.«
Roz erzählte Mitch auch den Rest, ausführlich, in allen Einzelheiten.
»Das ist der erste Traum, von dem du mir erzählst.«
»Es war kein Traum. Ich habe nicht geschlafen.« Roz winkte ungeduldig ab. »Ich weiß, die Leute sagen das immer, wenn sie denken, sie wären wach gewesen. Aber ich war wirklich wach.«
»Also gut. Du musst es ja wissen.«
»Sie hat mich in meinen Gedanken mit nach draußen genommen. Ich spürte die Kälte, roch die Blumen – die weißen Rosen an der Laube –, und ich spürte die Luft auf der Haut. Die ganze Zeit über war ich mir aber – in einem anderen Teil meines Ichs – bewusst, dass ich noch in meinem Zimmer lag, auf dem Bett, und diese hämmernden Kopfschmerzen hatte.«
»Beunruhigend.«
»Du bist sehr feinfühlig«, entgegnete Roz. »Ja, es war beunruhigend. Verwirrend, und es hat mich ganz schön mitgenommen. Ich mag es gar nicht, wenn jemand anders meine Gedanken steuert. Und wie sie mich angesehen hat, als sie in dem Grab die Augen aufschlug – in ihrem Blick lag eine unheimliche … Liebe. Sie hat mir niemals wehgetan, und ich hatte auch nie das Gefühl, dass sie das einmal tun würde. Bis heute Abend.«
Mitch fuhr an den Straßenrand, bremste abrupt und wandte sich Roz zu. Die Ruhe, die sie sonst von ihm kannte und die er normalerweise ausstrahlte, war allmählich Empörung gewichen. »Was soll das heißen? Ist sie auf dich losgegangen? Um Himmels willen …«
»Nicht auf mich, aber auf einen sehr schönen Kaschmirpullover. Ich habe ihn zum Geburtstag bekommen, besaß ihn also erst seit November, und ich bin immer noch stinksauer, dass sie ihn mir kaputtgemacht hat.«
»Erzähl mir genau, was passiert ist.«
Als Roz geendet hatte, lehnte Mitch sich zurück und klopfte mit den Fingern aufs Lenkrad. »Sie wollte nicht, dass du heute Abend mit mir ausgehst.«
»Offensichtlich nicht, aber Pech für sie. Hier bin ich.«
Mitch sah sie erneut an. »Warum?«
»Ich habe es dir versprochen, und was ich verspreche, halte
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