Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman
hintreten würde. »Hilfe!«
Frau Kleins sonst so braver Hund ließ ein dumpfes Bellen hören.
»Gehet hin in Frieden«, sagte Pfarrer Hoffmann mit einem gut vernehmbaren Seufzer und verließ den Zuckerhut mit wehendem Talar. »In Frieden , sagte ich.«
»Das gilt aber nicht für Sie!« Herr Hagen nahm die sich heftig wehrende Frau in den Schwitzkasten.
»Unglaublich«, sagte Frau Klein neben mir, während sie ihren verwirrten Hund tätschelte. »So was hat es noch nie gegeben! Wo kommt diese Frau denn her?«
»Ich glaube, das ist eine Zugezogene «, flüsterte ich entschuldigend.
»Ich rufe die Polizei«, rief Frau Hagen. Die Aufregungließ sie noch höher sprechen als sonst, sodass man um die kostbaren Kirchenfenster bangen musste.
»Das wird ja wohl nicht nötig sein, liebe Frau Hagen«, sagte Pfarrer Hoffmann. »Das ist sicher alles nur ein Irrtum.«
»Kein Irrtum!«, sagte Herr Hagen empört. »Ich habe es genau gesehen. Herr Naumann hat einen Hundertmarkschein hineingelegt, und diese Person hat ihn wieder herausgenommen.«
Gilberts Mutter war es gelungen, sich aus dem Schwitzkasten zu befreien, Herr Hagen hielt sie aber immer noch am Arm gepackt. Mit ihrer freien Hand fuhr sie sich durch die roten Locken und sah den Pfarrer herausfordernd an.
»Wenn ich was genommen habe, dann war es nur aus Versehen«, erklärte sie. »Der alte Herr hier hatte sein Taschentuch verloren, und möglicherweise ist das Geld daran hängengeblieben, als ich es ihm wiedergegeben habe.«
»Es sollte doch nur für einen guten Zweck sein«, sagte Herr Naumann, der jetzt erst begriffen hatte, dass es um seinen Hundertmarkschein ging. Niemand schenkte ihm Beachtung.
»Lügen Sie nicht«, schnaubte Herr Hagen. »Ich habe doch gesehen, wie Sie das Geld in Ihre Tasche gesteckt haben! Sie haben nur nicht damit gerechnet, dass ich das merke, Sie … kriminelles Subjekt, Sie!«
»Ich rufe die Polizei«, sagte Frau Hagen wieder. »Die gehört doch ins Gefängnis.«
»Nein«, sagte Pfarrer Hoffmann, diesmal ein bisschen energischer. »Das regeln wir unter uns.«
»Aber …«, quiekte Frau Hagen.
Der Pfarrer sah sie streng an. »Ein für alle Mal, Frau Hagen: Halten Sie sich da raus!« Mit dem gleichen Gesichtsausdruck wandte er sich Lydia Kalinke zu.
»Haben Sie diesen Hundertmarkschein genommen?«, fragte er streng und gütig zugleich.
Lydia schüttelte den Kopf.
»Nicht wissentlich jedenfalls«, sagte sie.
»Also, das ist doch …!«, schnaufte Herr Hagen. »Ich hab’s doch ganz genau gesehen, wie Sie ihn hat verschwinden lassen. Hier hat sie ihn reingesteckt!« Er tippte mit seinem feisten Zeigefinger auf einen Reißverschluss an der Brust der Frau. »Genau hier!«
»Nehmen Sie Ihre dreckigen Pfoten weg, Sie Lüstling«, fauchte Lydia und schlug nach ihm.
Ein Raunen ging durch die Kirche. Die Konfirmanden kicherten haltlos.
Pfarrer Hoffmann sah sich nach seinen Schäfchen um, die sich um ihn geschart hatten, anstatt nach Hause zu gehen. Alle starrten wie atemlos auf die Brusttasche von Gilberts Mutter. War da tatsächlich Herr Naumanns Hunderter drin? Und was trug die Frau wohl darunter?
»Hier gibt es nichts zu sehen«, sagte Pfarrer Hoffmann. Etwas Unwahreres war wohl selten behauptet worden. Trotzdem fühlten wir uns bemüßigt, die Kirche zu verlassen, einer nach dem anderen. Die Hagens, Pfarrer Hoffmann und Lydia Kalinke, diesmal am Arm von Pfarrer Hoffmann, folgten, Letztere in ein leises Gespräch vertieft. Wütend verriegelte Herr Hagen das Portal. Vor lauter Aufregung hatte er ganz vergessen, für ›Brot für die Welt‹ zu sammeln. Die Konfirmanden schwangen sich auf ihre Fahrräder und beschlossen, sich für die gesparte Mark an der Tankstelle ein Eis zu kaufen.
»Das war doch mal echt geil, ey«, sagte einer zum anderen.
Pfarrer Hoffmann bat Lydia Kalinke höflich zu einem weiteren Gespräch in sein Büro. Wir sahen den beiden nach, bis sie im Gemeindezentrum verschwunden waren.
»Aber können wir ihn denn mit dieser Person allein lassen?«, fragte Irmela Quirrenberg ängstlich. Sie sah mit ihrer neuen Frisur tatsächlich um Jahre jünger aus.
»Aber Irmi, die Frau wiegt höchstens hundert Pfund«, sagte Martin Heinzelmann. »Was soll sie denn gegen Pfarrer Hoffmann ausrichten?«
»Aber wenn sie eine Waffe zieht?«
»Oder einen ihrer Reißverschlüsse?«, murmelte Carola Heinzelmann.
»Benedikt wird schon damit klarkommen«, sagte meine Mutter.
»Benedikt?«, wiederholte Carola.
»Das ist sein
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