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Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Titel: Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Arendt
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Instanz aufgehoben und Kastner voll rehabilitiert.) Die Geschäfte, die Becher durch Vermittlung Kastners abschloß, waren viel einfacher als die komplizierten Verhandlungen mit den Industriemagnaten; sie bestanden in der Festlegung eines Preises für das Leben jedes Juden, der gerettet werden sollte. Um diesen Preis wurde hartnäckig gefeilscht, und in einem gewissen Stadium dieser Transaktion scheint auch Eichmann an einigen Vorverhandlungen teilgenommen zu haben. Bezeichnenderweise war sein Preisvorschlag der niedrigste – bloße 200 Dollar pro Jude –, natürlich nicht, weil er mehr Juden zu retten wünschte, sondern einfach, weil er nichts von Geschäften verstand. Schließlich einigte man sich auf einen Preis von 1000 Dollar pro Kopf, und eine Gruppe von 1684 Juden, unter ihnen Dr. Kastners Familie, kam tatsächlich aus Ungarn fort und ins Austauschlager Bergen-Belsen, von wo aus sie schließlich die Schweiz erreichten. Über ein ähnliches Geschäft, durch das Becher und Himmler die Summe von 20 Millionen Schweizer Franken für den Einkauf von Waren aller Art vom American Joint Distribution Committee zu bekommen hofften, verhandelte man bis zum Einmarsch der Russen in Ungarn endlos hin und her, doch wurde nichts daraus.
    Ohne allen Zweifel erfreute sich Bechers Tätigkeit der vollen Zustimmung Himmlers und stand in denkbar schärfstem Widerspruch zu den alten »radikalen« Befehlen, die Eichmann nach wie vor durch Müller und Kaltenbrunner, seine unmittelbaren Vorgesetzten im RSHA, erreichten. In Eichmanns Augen waren Leute wie Becher korrupt, aber die Tatsache der Bestechlichkeit der SS kann nicht gut eine Gewissenskrise bei ihm veranlaßt haben, denn obwohl er selbst augenscheinlich dieser Art Versuchung nicht zugänglich war, muß Korruption in seiner Umgebung schon seit Jahren gang und gäbe gewesen sein. Es ist kaum vorstellbar, wiewohl nicht ganz unmöglich, daß er nicht gewußt haben soll, daß sein Freund und Untergebener, der Hauptsturmführer Dieter Wisliceny, schon 1942 vom Jüdischen Hilfskomitee in Bratislava 50 000 Dollar für das Hinausschieben des Termins von Deportationen aus der Slowakei erhalten hatte. Doch unmöglich ist, daß er nichts gewußt hat von Himmlers Versuchen im Herbst 1942, sich durch Verkauf von Ausreisegenehmigungen an slowakische Juden genügend ausländische Währung für die Aufstellung einer neuen SS-Division zu verschaffen. Aber 1944 lagen die Dinge in Ungarn anders, nicht weil Himmler in »Geschäfte« verwickelt war, sondern weil Geschäft jetzt offizielle Politik geworden war; es war nicht länger bloße Korruption.
    Zu Anfang versuchte Eichmann, in das Spiel einzusteigen und nach den neuen Regeln mitzuspielen, damals nämlich, als er in die phantastischen »Blut-gegen-Ware«-Verhandlungen verwickelt wurde – eine Million Juden gegen 10 000 Lastwagen für die abbröckelnde deutsche Wehrmacht –, die natürlich nicht etwa er eingeleitet hatte. Der Art, in der er in Jerusalem seine Rolle bei dieser Affäre erklärte, konnte man deutlich anhören, wie er sie einst vor sich selbst gerechtfertigt hatte: als militärische Notwendigkeit, die ihm den zusätzlichen Vorteil einer wichtigen neuen Rolle im Auswanderungsgeschäft einbringen würde. Vermutlich hat er vor sich selbst nie zugegeben, daß die wachsenden Schwierigkeiten von allen Seiten es täglich wahrscheinlicher werden ließen, daß er bald ohne Arbeit dastehen würde (tatsächlich war das dann auch wenige Monate später der Fall), es sei denn, es gelänge ihm, bei dem allgemein einsetzenden Wettlauf um neue Machtpositionen einen Platz zu finden. Als das Austauschprojekt mit dem voraussehbaren Fehlschlag geendet hatte, war mittlerweile überall bekannt, daß Himmler trotz seines ewigen Schwankens, das hauptsächlich von seiner berechtigten physischen Angst vor Hitler herrührte, den Abbruch der ganzen »Endlösung« beschlossen hatte – ohne Rücksicht auf Geschäfte, ohne Rücksicht auf militärische Notwendigkeiten und ohne daß irgend etwas dabei herauskommen konnte außer den bekannten Illusionen, die er sich über seine künftige Rolle als Friedensbringer für Deutschland zusammengeleimt hatte. Erst damals bildete sich so etwas wie ein »gemäßigter Flügel« in der SS, der teils aus Leuten bestand, die so dumm waren zu glauben, daß ein Mörder nur nachzuweisen brauche, er habe nicht so viele Menschen getötet, wie er hätte töten können, um ein prachtvolles Alibi zu besitzen, teils aus den Schlauen,

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