Ein Engel aus der Hölle
ausgesucht, denn ich brauche dich.«
»Was... was... soll ich denn tun?«
»Fahren.«
Hank Miller schwieg. Er hatte mit dieser Antwort nicht gerechnet. Er hätte sich Vieles vorstellen können, nur nicht eine derartige Antwort und deshalb hob er auch die Schultern.
»Fahren, Hank, das ist wichtig.«
»Und wohin?«
»Hm, das ist kein Problem. Du fährst wieder auf die normale Straße und bleibst darauf.«
»Ja, das kann ich tun.« Da er die Bestie vergessen hatte und nur die Frau vor sich sah, fragte er: »Kann ich dich irgendwo absetzen, vielleicht?«
Die Frage hätte er nicht stellen sollen. Beinahe wäre ihm die Frau an die Kehle gegangen. »Du wirst mich nicht absetzen! Ich habe mit dir etwas völlig anderes vor, Hank.«
»Was denn?«
»Das wirst du sehen.« Sie deutete auf den noch steckenden Zündschlüssel. »Fahr wieder los!«
»Ja, ja...«
»Und nicht zu schnell. Halte dich an die Verkehrsregeln.«
»Gibt es wirklich kein Ziel?«
»Doch, das gibt es.
»Ist es denn weit von hier?«, fragte er.
»Nein. Wir sind fast schon da, mein Freund. Es kann sich nur um Minuten handeln...
***
Suko war tatsächlich eingeschlafen und überließ mir die Wache. Ich musste daran denken, dass ich ihn nach der vergangenen Nacht gefragt und er mir eine ausweichende Antwort geben hatte. Nun ja, Shao und er waren auch nur Menschen.
Jetzt aber ging es um den Job . Da musste einer Acht geben. Außerdem kannte ich meinen Freund sehr gut. Ich wusste, dass ich ihn nur anzustoßen brauchte, um ihn aus dem Land der Träume zu reißen. Er würde sofort voll da sein.
Wir hatten uns einen günstigen und guten Platz ausgesucht. Von hier aus hatte ich den perfekten Überblick. Ich sah nicht nur die Straße, sondern auch die Einmündung des Weges, der zum Campingplatz führte. So sah ich jeden Wagen, der das Areal verlassen wollte.
War es richtig, dass wir hier standen?
Eine gute Frage, und ich gab mir selbst eine Antwort, die ebenfalls gut klang. Wir hatten nichts anderes in der Hand. Wir mussten voll und ganz darauf setzen, dass er irgendwie reagierte und seinen Zufluchtsort verließ. Er hatte noch Aufgaben zu erledigen, aber ich musste auch davon ausgehen, dass er noch vorsichtiger sein würde als sonst.
Wer Autos zählen wollte, hatte hier ebenfalls nicht besonders viel zu tun. Die meisten Fahrer wollten schnell weg. Da nahmen sie den Motorway M4 oder die Schnellstraße, die knapp zwei Kilometer südlich davon parallel lief.
Wir befanden uns etwas dazwischen. Wer hier fuhr, der gehörte auch zu denen, die in der Nähe wohnten. Zwei Mal war sogar ein Biker erschienen.
»Schon was passiert, John?« Suko hatte die Frage gestellt und die Augen dabei nicht geöffnet.
»Nein, abgesehen davon, dass du geschnarcht hast, nichts.«
»Wie schön.«
»Warum?«
»Dann kann ich ja weiterschlafen.«
»Tu das!«
Suko tat es nicht. Er setzte sich wieder normal hin und stellte auch die Rückenlehne hoch. Dabei wischte sich über die Augen, bewegte den Kopf von einer Seite zur anderen, schaute wieder über die Straße in beide Richtungen hinweg und sah von links her einen Truck kommen, dessen Ladefläche silbern schimmerte. Auf der Autobahn hätte er schneller fahren können, hier aber hatte er ein recht gemächliches Tempo drauf. Wir schauten beide hin und sahen das Ungetüm auf vier Rädern näher kommen.
»Warum fährst der gerade hierher?«, fragte Suko sich selbst.
Ich hob die Schultern. »Kann sein, dass der Fahrer genug Zeit hat. Ist zwar selten, aber es soll Vorkommen.«
»Jedenfalls transportiert er eine Flüssigkeit. Könnte auch ein Gefahrengut sein.«
Ich hatte Suko gehört, enthielt mich allerdings einer Antwort und schaute dem Ungetüm entgegen. Der Wagen verlor sogar an Tempo, wobei wir keinen Grund sahen, der dies notwendig machte.
»Der hält gleich an, John.«
»Und warum?«
»Keine Ahnung. Vielleicht wegen uns.«
Das kam mir allerdings seltsam vor. Nun gehört das Misstrauen zu unserem Beruf, aber wir sahen auch nicht hinter jeder Ecke den Tod lauern.
In diesem Fall war es anders.
Schon einmal hatte ich am heutigen Tag gespürt, wie sich das Kreuz erwärmte. Und genau in diesem Augenblick geschah das wieder. Warum ich ihn mit dem Vorhandensein des Trucks in Verbindung brachte, wusste ich selbst nicht. Ich handelte automatisch.
»Fahr los, Suko! Sofort!«
***
»Du fährst gut, mein Freund.«
Hank Miller nickte nur. Er konnte nicht sprechen. Auf dem Weg vom Magen her bis in die Kehle saß der dicke
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