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Ein gutes Herz (German Edition)

Ein gutes Herz (German Edition)

Titel: Ein gutes Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon de Winter
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und da fand ich lauter Zeitungsartikel über sie und ihn. »Vermutlich der intelligenteste Ganove der Niederlande«, hatte jemand geschrieben. Das war mein Vater. Ich hatte im Internet ein Foto von ihm gefunden. Ich sah ihm wirklich ähnlich.
    Ich wusste nicht, warum Mama Angst vor ihm hatte, aber damit musste es zusammenhängen. Geld konnte nicht der Grund sein. Ich hatte nämlich in Mamas Papieren Briefe gefunden, in denen es um ihr Geld ging. Sie hatte richtig viel Kohle, sie war echt superreich, und trotzdem tat sie immer so, als müssten wir ganz sparsam sein. Das viele Geld kam von meinem Opa. Den hab ich nie gekannt.
    Mama streichelte mein Haar. Das war schön. Wir saßen im Vondelpark auf der Wiese, und weil sie mich so an sich drückte, konnte mich keiner erkennen. Ich war zwar total traurig, aber es war schön, dass sie mich so in den Armen hielt.
    Es war ganz ruhig im Park.
    Aber in meinem Kopf brauste ein Sturm.
    »Warum ist es zu gefährlich?«, fragte ich.
    Sie wurde eine Sekunde lang ganz starr, das konnte ich spüren, dann streichelte sie mir weiter übers Haar.
    »Weil es jemanden gibt, der uns weh tun kann. Der mir weh getan hat. Und der mir wieder weh tun wird, wenn er mich findet.«
    »Und die Polizei?«
    »Die Polizei tut nichts. Die kann nichts tun. Er ist viel zu schlau.«
    Ich wusste, dass sie meinen Vater meinte. Der war Berufsganove und megaschlau.
    Mama sagte: »Wenn wir doch immer so sitzen bleiben könnten.«
    Ich sagte nichts, aber sie wusste, dass ich im Kopf »ja« sagte. »Wer will uns denn weh tun?« Meine Stimme war kaum zu hören, weil ich den Kopf in Mamas Jacke vergraben hatte, das war so eine witzige kurze Jacke, die auf dem Rücken ganz bunt war. Mama sah manchmal aus wie ein Hippie. Da, wo wir in Amsterdam wohnten, passte das eigentlich nicht so gut hin. Die anderen Mütter hatten nie so auffällige Sachen an, aber Mama schon. Sie trug großen Schmuck und enge Hosen und sah manchmal aus wie ein Filmstar. Aber sie war einfach nur Mama.
    »Du kennst ihn nicht«, antwortete sie.
    Ihre Stimme klang matt. Das Wort »matt« kenne ich aus Büchern. Mama hat mir niederländische Bücher vorgelesen, und als ich selber lesen konnte, hat sie niederländische Bücher schicken lassen. Von Paul van Loon oder Annie M.G. Schmidt. Wenn dieser unbekannte Mann uns finden wollte, brauchte er nur ausfindig zu machen, wer sich Bücher von Paul Biegel ins Ausland schicken ließ.
    Ich wusste, dass Mama meinen Vater meinte. Aber das konnte ich nicht sagen. Hoffentlich las sie jetzt gerade nicht meine Gedanken.
    »Komm«, sagte sie.
    Wir standen auf. Mein Rucksack war aus der Fahrradtasche geflogen und lag zehn Meter weiter.
    Ich wusste, was Mama tun würde. Und ich konnte mich nicht dagegen wehren. Da hatte auch stundenlanges Bitten und Betteln keinen Sinn. Wenn sie einmal einen Beschluss gefasst hatte, war sie nicht mehr davon abzubringen. Nicht, wenn es etwas Wichtiges war. Wenn es um ein Snickers oder ein KitKat ging oder irgendein Computerspiel, dann vielleicht schon. Aber wenn sie sagte, dass sie gepackt hatte, weil wir einen Flug bekommen mussten, dann war nicht mit ihr zu reden.
    Ich fuhr jetzt hinter ihr her, aus dem Park raus, über die Van Eeghenstraat und den Willemsparkweg hinweg in die Van Breestraat. Van Bree war ein Komponist. Hab ich mal gegoogelt. Ich wusste nicht, ob ich irgendwann noch einmal zurückkommen würde. Vielleicht stürzte das Flugzeug ja ab, oder wir schlitterten mit einem Bus in eine tiefe Schlucht – wir haben schon ganz gefährliche Reisen gemacht, in Thailand und Peru, da hatte ich Angst, und Mama hat mich ganz fest in die Arme genommen. Wie wir so durch die Straßen fuhren, fand ich alles schön in Amsterdam, alles stimmte. Und nirgendwo sah man arme Menschen. Es war dumm, von hier wegzugehen. Aber so, wie Mama sich benahm, hatte sie wirklich Angst. Warum sollte mein Vater uns etwas tun? Ich überlegte, was ich sagen würde, wenn er mir jetzt plötzlich vors Rad sprang. Würde ich dann Papa zu ihm sagen? Ich hatte noch nie zu irgendwem Papa gesagt. John Vermeulen war tot. In Afghanistan gefallen. In der Nähe von Jalalabad, hatte sie gesagt. Über den komischen Namen mussten wir lachen, obwohl mein Vater dort gestorben war. Der Name klang so lustig, und dabei war John dort von einem IED , einem Improvised Explosive Device, getötet worden. Ich stellte Mama immer genauere Fragen, und sie musste sich immer mehr ausdenken. Vielleicht hatte sie auch gegoogelt, um sich

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